Silberband 115 - Kämpfer für Garbesch
würde.
Endlich war er weit genug von dem Gebäude entfernt. Nach Atem ringend, sank er zu Boden. Der Alarm war verstummt, doch es dauerte lange, bis Ottarsk die vielfältigen Laute der sterbenden Stadt wieder vernahm.
Jedes Gebäude sang ein Lied des Untergangs. Die Stimmen aus dem zerfallenden Beton vereinigten sich zum klagenden Chor. Schließlich ging ein Stöhnen durch die Stadt. Mit tränenden Augen sah der alte Mann, wie ein Gebäude nach dem anderen in sich zusammenfiel. Nur deformierte Skelette aus Arkonstahl blieben von den stolzen Trichterbauten übrig.
Etwas starb in ihm; wie betäubt wandte Ottarsk sich ab. Zweifellos hatte der Alarm viele Arkoniden dazu veranlasst, sich in Sicherheit zu bringen, doch mindestens ebenso viele hatten es wohl nicht mehr geschafft. Ottarsk schaute immer wieder in die Höhe in der Hoffnung, einen Gleiter zu entdecken, der sich in seiner Nähe herabsenkte, um ihn aufzunehmen. Aber erst nach endlos langen Minuten bemerkte er das erste Fahrzeug.
Er riss sich die Jacke vom Leib und schwenkte sie heftig. Der Gleiter verzögerte, und als Ottarsk den Piloten erkannte, atmete er auf. Es war Zanoth, der neue Stadtmaurer. Er würde wissen, was zu geschehen hatte, damit nicht auch noch der Rest von Gostabaar verloren ging.
Zanoth war blass, dunkel und aufgequollen hingen die Tränensäcke unter seinen Augen. Als Ottarsk zu ihm in den Gleiter stieg, rümpfte er die Nase. Der Stadtmaurer roch verdächtig nach Wein.
»Was ist überhaupt los?«, fragte Zanoth kläglich. »Wie sieht Gostabaar plötzlich aus?«
Ottarsk blickte den Mann fassungslos an. »Siehst du das nicht?«, fragte er grob. »Die Trichterbauten sind eingestürzt. Tausende Bewohner wurden verschüttet und brauchen Hilfe.«
»Warum sind sie nicht davongelaufen?«, fragte Zanoth empört. »Ich war nur ein paar Stunden unterwegs, und schon geht hier alles drunter und drüber...«
Ottarsk sagte sich, dass Zanoth unter Schock stand und womöglich erst deshalb getrunken hatte. Mit leichter Gewalt schob er den Mann zur Seite und übernahm die Kontrolle des Gleiters.
Über Funk rief er nach Überlebenden der Katastrophe, die sich rechtzeitig abgesetzt hatten. Er forderte alle auf, sofort umzukehren und mit Rettungsarbeiten zu beginnen.
Seinen Aufruf beantworteten jedoch nur vier Personen. Alle anderen flogen einfach davon, wahrscheinlich zu irgendeinem der sonnigen Strände, sie dachten gar nicht daran, sich mit der Katastrophe zu belasten.
»Gostabaar bietet zurzeit einen hässlichen Anblick«, stellte einer der vier Überlebenden zögernd fest. »Du weißt, wie das ist, Ottarsk. Als Bauchaufschneider bist du an solche Dinge vielleicht gewöhnt, aber für uns andere...«
»Was ist mit euren Familien? Wollt ihr sie im Stich lassen?«
»Meine Frau und meine Kinder befinden sich hier im Gleiter«, gab der Sprecher zurück. »Alle anderen sind bestimmt tot. Niemand, der sich beim Einsturz noch in den Häusern befand, kann überlebt haben «
Ottarsk schaltete ab und rief den Raumhafen. Er erzielte keine Reaktion.
Die Schaltzentrale der Stadt arbeitete nicht mehr. Über den Notkanal, der in der langen Geschichte Durgens kaum jemals benutzt worden war, erteilte Ottarsk allen Robotern den Befehl, unverzüglich nach Überlebenden zu suchen und sie medizinisch zu versorgen.
»Das hättest du nicht tun sollen«, sagte Zanoth plötzlich.
Ottarsk sah den Stadtmaurer verwundert an.
»Meine Roboter werden nicht an dieser Aktion teilnehmen!«, protestierte Zanoth verbissen. »In meinem Haus waren Kunstwerke und andere Dinge von unschätzbarem Wert. Ich bestehe darauf, dass die Roboter zuerst alles das bergen und in Sicherheit bringen ...«
Ottarsk verlor die Kontrolle über sich, er schlug mit der Faust zu. Der Stadtmaurer kam nicht einmal mehr dazu, abwehrend die Arme hochzureißen.
Ottarsk schloss den Magnetgurt um den schlaffen Körper des Bewusstlosen. Gleich darauf entdeckte er eine schwache Bewegung in einem der Sand- und Trümmerhaufen. Ein Roboter wühlte sich dort mit eckigen Bewegungen ins Freie. Hinter ihm wurde ein enger, finsterer Gang erkennbar. Der Roboter drehte sich um und verschwand, und erst Minuten später tauchte er wieder auf. Er trug eine Frau auf den Armen und legte sie vorsichtig ab.
Während der Roboter in den Schuttberg zurückkehrte, sprang Ottarsk aus dem Gleiter und lief zu der Frau hinüber. Sie lebte noch. Trotzdem bezweifelte er, dass sie ihre Verletzungen überstehen würde. Immerhin
Weitere Kostenlose Bücher