Silberband 115 - Kämpfer für Garbesch
Nisortan niedergeschlagen hatte. Mittlerweile war ihr bewusst geworden, dass die Wucht ihres Schlages den Mann getötet haben musste. Während ihrer Prüftätigkeit hatte sie oft darüber nachgedacht. Sie empfand weder Reue noch Bedauern für Nisortan, vielmehr war sie verwundert über sich selbst. Selbst im Zorn hatte sie bisher nie das Verlangen gehabt, jemandem Schaden zuzufügen. Nicht einmal jetzt erschien es ihr vorstellbar, dass sie jemals gegen einen Kollegen die Hand erheben könne. Dennoch hatte sie Nisortan erschlagen. Weil sie gespürt hatte, dass er sie verraten hätte. Deshalb hatte sie den Knüppel mit Bedacht ausgesucht und ihrem Opfer aufgelauert. Sie hatte Nisortan keineswegs im unkontrollierbaren Aufwallen ihrer Gefühle getötet, sondern seinen Tod geplant.
Engnal fröstelte.
Eine Stunde lang war sie eine blutdürstige Furie gewesen, nicht einen Hauch besser als die Horden von Garbesch. Was war nur über sie gekommen? Armadan war einer der Garbeschianer. Übertrug sich seine Brutalität auf sie?
Die Frau erreichte die Stelle, an der Nisortan zusammengebrochen war. Aber das alles schien mit einem Mal sehr weit weg. Sie trug eine winzige Handlampe bei sich und leuchtete den Boden ab, doch sie fand den leblosen Körper nicht. Eine Zeit lang schwankte sie zwischen Hoffnung und aufkommender Panik. Hatte Nisortan doch überlebt und war nur bewusstlos gewesen? Aber dann stünde sie nicht mehr hier. Den Edelmut, diesen Vorfall zu verschweigen, traute sie ihm keinesfalls zu. Sie entsann sich düster, dass es in der Prüfstation einiges Hin und Her gegeben hatte, weil Nisortan nicht zur Arbeit erschienen war. Allerdings war sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen und hatte nicht viel davon mitbekommen. Maropil hatte die Schicht mit übernommen, mehr wusste sie beim besten Willen nicht.
Ratlos schwenkte sie den fahlen Lichtkegel ihrer-Lampe im Kreis. Urplötzlich ertönte aus dem Unterholz eine Stimme: »Schalte das Licht aus! Ich muss mit dir reden.«
Mit einem halb erstickten Schrei fuhr Engnal herum. Aus dem Gewirr der Äste stach ein dünnes, biegsames Gebilde hervor. Die Frau spürte einen Ruck, dann war es dunkel. Dieses jäh heranzuckende Etwas hatte ihr die Lampe aus der Hand geschlagen.
»Wer bist du?«, fragte sie bebend.
»Ich bin Armadans Begleiter. Ich bin hier, um dir zu sagen, dass er nicht der Mann aus deinen Träumen ist.«
Engnal biss sich auf die Unterlippe. Alles in ihr verkrampfte sich, doch mit einem Teil ihres Verstandes konnte sie nicht anders, als der geheimnisvollen Stimme beizupflichten.
»Woher willst du das wissen?«, fragte sie trotzig.
»Ich kenne ihn. Er ist jeglicher Art der Zuneigung unfähig, aber das hast du selbst auch schon erkannt. Nur Bitterkeit und Enttäuschung konnten dich dazu treiben, deinen Kollegen niederzuschlagen.«
Engnals Puls pochte wild.
»Du weißt von Nisortan ...«
»Ich war in der Nähe, als es geschah. Der Mann ist nicht tot, und seit mehreren Stunden befindet er sich in medizinischer Behandlung. Sobald er zu sich kommt, wird er berichten, was vorgefallen ist, und dann wirst du dich verantworten müssen. Vorher musst du Armadan freigeben, sonst fällt er den Orbitern in die Hände.«
»Wenn er wirklich Armadan von Harpoon ist, wird niemand ihm ein Haar krümmen...«
»Hast du ihm das geglaubt?«
»Nein.«
»Ebenso wenig werden es alle anderen tun. Der Mann, der sich Armadan von Harpoon nennt, hat anderswo eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Ich erwarte, dass du mir hilfst, ihn vor Schlimmerem zu schützen - so, wie ich dir geholfen habe, nicht zur Mörderin zu werden.«
Engnal blieb still. Das metallene Ei sprach sanft, doch das täuschte sie nicht darüber hinweg, dass es von ihr Unmögliches verlangte. Sie hatte von ihren Aufgaben und Pflichten längst ein eigenes Bild, doch eines durfte sie keinesfalls zulassen, nämlich dem Fremden in einer Weise zu helfen, die ihn in die Lage versetzte, ihrem Volk Schaden zuzufügen.
»Ihr gehört beide zu den Horden von Garbesch, nicht wahr?«, fragte sie.
»Nein«, kam die Antwort, fast ärgerlich. »Das Gerede von den Horden ist Unsinn. In dieser Galaxis gibt es nicht einen einzigen Garbeschianer, da unterliegen die Orbiter einem gigantischen Irrtum. Wir haben die Aufgabe, diesen Irrtum aufzuklären.«
»Könntest du das auch alleine?«
»Warum fragst du?«
»Soweit ich von Greer Venn weiß, sucht die Zentrale Sicherheit nur nach einem Eindringling. Wenn Armadan festgenommen
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