Silberband 117 - Duell der Erbfeinde
konnte, zu dem Becken hin, warf sich hinein und saugte sich voll.
Erfrischt erhob er sich und trat wieder an den Rand des Plateaus – da merkte er, dass er den Kristall nicht mehr in der Hand hielt. Er musste ihn losgelassen haben, als er im Wasser lag.
Er drehte sich um, fest entschlossen, den rätselhaften violetten Stein zu suchen. Was er sah, war so unglaublich, dass er sich verblüfft auf die Hinterbeine setzte.
Das Wasser war gefroren.
Ehe er noch darüber nachdenken konnte, was das zu bedeuten hatte, knackte es in dem Eis, mit dem das Felsenbecken ausgefüllt war, und dann kam etwas zum Vorschein, was den armen Thezein in eine wahre Starre der Angst versetzte.
Zuerst erschien ein nur nebelhaft erkennbarer Kopf, dann ein Rumpf, der keine Arme hatte und halb durchsichtig war. Kein Zweifel, er hatte es mit einem Bürger sehr hohen Gehalts zu tun.
Sein erster Gedanke war, dass man ihn nun doch wiedergefunden hatte und dass es sinnlos sei, die Flucht fortzusetzen. Dann kam auch der Rest des Bürgers aus dem Eis hervor, und Thezein begriff, dass die Sachlage ein wenig komplizierter war. Unterhalb des Rumpfes gab es nämlich keine Fortsetzung des Körpers, sondern einen strahlenden violetten Kristall, viel kleiner als der, den Thezein an diesen Ort gebracht hatte, aber unzweifelhaft eine neue Form jenes Steines, den die Schwärme nicht hatten akzeptieren wollen.
»Wer bist du?«, wisperte Thezein ängstlich.
Der Kopf des Bürgers wurde etwas weniger nebelhaft. Thezein glaubte zwei stechend schwarze Augen zu sehen, die ihn Komponente für Komponente musterten.
»Malbeeram«, sagte der Bürger halblaut. »Wie nennst du dich?«
»Thezein«, flüsterte der Spaltling.
»An welchem erbärmlichen Ort befinden wir uns hier?«
»Ich weiß es nicht. Ich war nie zuvor hier.«
»Dann ist das gar nicht dein Lebensbereich?«
»Ich gehöre auf die Ebene der Schnellfüßigen«, erklärte Thezein kleinlaut.
»Und warum bist du hier?«
»Das ist eine lange Geschichte ...«
»Spare sie dir«, empfahl Malbeeram. »Du bist ein Spaltling, der sich keiner neuen Gemeinschaft einordnen will.«
»Woher weißt du das?«
»Es ist sehr leicht zu erraten«, behauptete der Bürger Malbeeram und schwebte vom noch immer mit Eis gefüllten Becken weg. Dabei löste sich der Kristall immer weiter auf, und als er erlosch, waren nicht nur die Beine des Bürgers sichtbar, sondern er wirkte im Ganzen nicht mehr so nebelhaft. »Wie bist du an die Wiege der Vollendung geraten, Thezein?«
»Was ist die Wiege der Vollendung?«
Malbeeram winkte mit einem seiner jetzt schwach sichtbaren Arme ab. »So nannten wir den Ort, an dem du die Kristalle gefunden hast«, erklärte er, und seine Stimme hatte einen sonderbaren Klang. »Ich hatte schon nicht mehr zu hoffen gewagt, dass jemals ein anderer Bürger uns finden würde.«
»Die Blühenden hatten mich von ihrem Lebensbereich geworfen«, murmelte Thezein, dem die ganze Angelegenheit nicht geheuer war.
»Blühende?«, wiederholte Malbeeram streng. »Waren es Spaltlinge wie du?«
»Ja.«
»Ist dir nichts an ihnen aufgefallen?«
Thezein wollte bereits verneinen, da brach etwas aus seiner Erinnerung hervor. »Sie hatten Gefühle«, sagte er erstaunt.
Malbeeram glitt auf seinen halb stofflichen Beinen ein Stück näher heran. »Bist du sicher?«, fragte er.
»Ja«, sagte Thezein abermals.
»Du meinst, du konntest das beurteilen?«, forschte Malbeeram weiter. »Hast du selbst Gefühle? Intensive Gefühle? Gibt es Dinge, vor denen du dich fürchtest?«
Thezein wich ein Stück zurück. »Du bist einer von denen, die mich suchen sollen«, vermutete er. »Du stehst mit den anderen in Verbindung. Sie werden mich auslöschen.«
»Du bist ein Dummkopf, Thezein«, behauptete Malbeeram. »Außerdem bist du selbstsüchtig, aber das trifft auf die meisten Dummköpfe zu. Verrate mir eines: Warum hast du mich mitgenommen?«
»Ich konnte nicht ahnen, dass der Kristall ... ich meine, dass das ein Bürger war.«
»Noch habe ich dir keinen Vorwurf gemacht. Also: warum?«
»Die Schwärme stießen den Stein immer wieder aus«, stammelte Thezein. »Da dachte ich ... Ich weiß selbst nicht genau, was ich dachte.«
»Nun gut. Lassen wir es dabei. Vielleicht kannst du mir verraten, was du vorhast?«
»Ich werde irgendwohin gehen, wo ich meine Ruhe habe. Ich werde mir einen Materiebrocken suchen, den niemand für sich in Anspruch nimmt.«
»Und wovon willst du dich ernähren?«
»Ich kann Pflanzen
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