Silberband 120 – Die Cyber-Brutzellen
Sie sahen einen Haufen Bewaffneter vor sich, und spontan entstand ein Gedanke, gewissermaßen synchron, in ihren Hirnen: Das waren die Schuldigen. Jemand hatte die SOL zerstört, hatte das Schiff der Ahnen auf diesem unwirtlichen Planeten stranden lassen. Es musste einen Schuldigen geben, und die Eindringlinge kamen den Betschiden gerade im rechten Augenblick in die Quere.
Surfo Mallagan und seine Gefährten verschwendeten keinen Gedanken an die Tatsache, dass ihre Gegner in der Überzahl und darüber hinaus besser bewaffnet waren. Sie sahen nur die fremden, grimmigen Gesichter unter den ausladenden Helmen und warfen sich den Gegnern entgegen. Vage war ihnen bewusst, dass sie den Kampf nicht überleben würden. Es würde ihnen nicht einmal gelingen, den Tod der Solaner zu rächen. Vielleicht konnten sie einige der Fremden mitnehmen – aber sie würden wenigstens an Bord der SOL sterben.
Als Mallagan mit seinem Metallstreifen als Schwert auf die Eindringlinge losging, ahnte er zwar den Irrtum, trotzdem konnte er nichts daran ändern: Die Situation war seinem Einfluss entzogen.
Die Angehörigen des kranischen Enterkommandos waren zunächst verblüfft. Drei abgerissene Gestalten stürzten sich auf sie und schwangen Waffen, die vom nächstbesten Abfallhaufen zu stammen schienen. Auch wenn sie die Anweisung hatten, jedem Widerstand mit aller Härte zu begegnen, waren die Raumfahrer zunächst gar nicht fähig, den Angriff auf sie ernst zu nehmen. Einige lachten sogar und steckten ihre Waffen weg, bereit, eine Prügelei mit diesen Übergeschnappten zu beginnen. Sie erkannten ihren Irrtum erst, als die drei Betschiden ihre improvisierten Waffen wirklich einsetzten. Es gab keine Toten, wohl aber tiefe, blutende Wunden.
Die kranischen Rekruten sahen ihre Freunde zu Boden sinken. Einer zog seinen Strahler und schoss. Der Schuss ging zwar fehl, doch er löste ein wildes Durcheinander aus, in dem die drei zerlumpten Gestalten wider Erwarten der Übermacht trotzten. Jedenfalls so lange, bis ein zweiter Trupp des Enterkommandos die Zentrale erreichte.
Der Anführer der neuen Gruppe war ein hochgewachsener Tart. Ihm fiel auf, dass die Gegner Stiefel trugen, die eindeutig kranischen Ursprungs waren. Mit einem schneidenden Befehl sorgte er für Ruhe.
Ein Risiko ging der Tart dennoch nicht ein. Er schickte sechs seiner Leute vor, und sie entwaffneten die drei wilden Kämpfer.
»Wie heißt euer Volk?«, fragte er zischend.
»Wir sind Betschiden«, antwortete der, über dessen Stirn ein eigenartig gläsern schimmernder Hautwulst verlief. Der Mann sprach Krandhorjan.
Der Tart ließ die drei Betschiden wegführen, dann zog er sich mit seinen Leuten zurück. Nur kurz fragte er sich, welche Verbindung zwischen den Betschiden und dem Wrack bestehen mochte und woher das gewaltige Schiff stammte, das zweifellos seit langer Zeit in der Wüste ruhte. Es war nicht seine Aufgabe, das festzustellen.
Der Tart verließ die SOL als Letzter. Er stand bereits im Sand, da kehrte er um und schloss das Schott, durch das er gekommen war. Unzählige andere Öffnungen blieben, und die Robotwächter waren zerstört. Der Sand und die Tiere der Wüste konnten sich endlich des Wracks bemächtigen.
27.
Die Spuren der Spoodie-Seuche waren beseitigt; das Quarantänekommando hatte in jeder Hinsicht seine Pflicht erfüllt. Den Rest hatten Reparatureinheiten und Montagetrupps besorgt, die fast zwei Wochen damit beschäftigt gewesen waren, die entstandenen Schäden auszubessern. Als der Krane Keros das Kommando über das Nest der 17. Flotte des Herzogtums von Krandhor erhielt, war er mit Recht stolz auf das ihm entgegengebrachte Vertrauen.
Keros konnte mit sich und der Besatzung zufrieden sein. Während seines ersten Inspektionsflugs betrachtete er das Nest mit Wohlgefallen, nur war ihm ein wenig Muße nicht vergönnt.
»Die Zentrale hat eine Meldung aufgefangen, Kommandant«, teilte ihm ein Nachrichtenoffizier mit. »Ein Spezialschiff befindet sich im Anflug und wird morgen eintreffen.«
»Spezialschiff? Ein zweites Quarantänekommando, das die Arbeit des ersten überprüfen soll. Weiter nicht aufregend ...«
»Das Schiff, Kommandant, kommt von Kran.«
»Direkt von Kran?« Sein Nackenfell sträubte sich, ein sicheres Zeichen größter Erregung.
»An Bord befindet sich ein Sonderbotschafter der Herzöge, Kommandant – der Orakel-Bote Jons.«
»Orakel-Bote ...« Keros sank kraftlos in seinem Liegesitz zurück.
»Der Empfang des Boten muss
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