Silberfieber
Einzelheiten nachbohrte. Auf Peters Drängen hin erinnerte sich Frank dann nach und nach an jedes Detail der Geschichte, und Professor McCully zeigte sich höchst amüsiert. Er würzte ihre Unterhaltung mit zahlreichen Bemerkungen darüber, dass die Welt heutzutage so kompliziert geworden sei, dass man sogar aufpassen müsse, in welches Taxi man einsteige, und mit einer Vermutung über die Folgen von Farbenblindheit für die Geschäftsaussichten der Firma Quiz-Cabs-Service. Frank, auf dessen Kosten ein Großteil der Bemerkungen seiner Mitfahrer ging, ertrug den Spott mit Fassung. Da der Londoner Stadtverkehr am frühen Sonntagnachmittag so gering war wie vermutlich zu keiner anderen Zeit in der Woche, erreichten sie das Terminal 1 am Flughafen Heathrow mehr als rechtzeitig. Wegen des bevorstehenden Kurztrips, den sie alle drei mit einer gewissen Berechtigung als wissenschaftliche Forschungsreise verkaufen zu können meinten, waren sie in aufgekratzter Stimmung.
Während der Taxifahrt hatte Hauptkommissarin Christine Keller mehrmals versucht, Frank auf dem Handy zu erreichen. Doch der ließ es nicht mehr zu einem Gespräch kommen, hatten sie doch jetzt eine Linie eingeschlagen, von der sie nicht mehr abweichen konnten. Zudem gab es noch einige andere Gründe, sich nicht auf weitere Diskussionen mit Christine Keller einzulassen. Einmal hatte Peter ihr bereits heute Morgen mitgeteilt, dass sie sich überhaupt nicht weigerten, ihr die Karte zu geben. Sie seien eben nur leider im Moment verhindert. Dieses Argument allein war zwar nicht besonders überzeugend, wog aber im Zusammenhang mit dem Unvermögen der Polizeibeamten – denn das unterstellten sie ihnen weiterhin –, das Mysterium der alten Seekarte zu lösen, umso schwerer. Frau Keller hatte sich bei der gestrigen Befragung zwar als äußerst clever erwiesen, trotzdem bezweifelten sie sehr, dass die Hamburger Kommissarin oder ihre Kollegen in der Lage sein würden, die historischen Hintergründe herauszuarbeiten, die sich hinter den Motiven Einsteins für den Mord an Pfleiderer verbergen mussten.
Es waren nicht besonders viele Mitreisende, die am Sonntagnachmittag für den Flug nach Basel eincheckten, sodass sie bald in Richtung Gate liefen, um die Passkontrolle zu passieren und auf den Flug zu warten. Frank und Peter trugen die langen Pappröhren bei sich; in einer von ihnen befand sich die alte Seekarte. Da der Trick mit den beiden gleichen Röhren gut funktioniert hatte, hatten sie beschlossen, das Spielchen als reine Vorsichtsmaßnahme noch ein bisschen länger zu betreiben. Dann und wann tauschten sie die Röhren untereinander, doch immer trug je einer eine in der Hand, sodass sie sofort reagieren konnten, sollte Einstein, die Polizei oder irgendein anderer Verfolger unvermutet auftauchen.
Professor McCully hatte eines seiner Bücher aus seiner Tasche herausgenommen. Ohne sonderlich auf seine Begleiter zu achten, beschäftigte er sich mit der Geschichte der Titanic und ihrer Wiederentdeckung. Mit dem aufgeschlagenen Buch in der einen und seinem aufgeschlagenen Reisepass in der anderen Hand spazierte er lesend durch die Passkontrolle, während Frank und Peter zurückblieben. Sie hatten sich angesichts der Wartezeit, noch immer mehr als eine Dreiviertelstunde, entschlossen, in einem der Restaurants in der Abfertigungshalle noch einen Kaffee zu trinken. Sie unterhielten sich gerade angeregt darüber, welche Auskünfte ihnen der geheimnisvolle Franz Felgendreher in Bern wohl geben könnte, als mehrere Dinge gleichzeitig passierten.
Vor der Halle, am etwa vierzig Meter entfernten Taxistand, fuhr plötzlich ein orangefarbenes Taxi mit der auf der Fahrertür aufgedruckten Aufschrift Quiz-Cabs und den Ziffern 1 : 5 vor. Das Taxi hielt an, dann stieg der Fahrgast aus, eine Frau, die schon von Weitem äußerst attraktiv wirkte. Mit einer geschmeidigen Kopfbewegung hatte sie gerade ihre rotfarbene Haarlockenpracht ausgeschüttelt, dann hob sie ihren Reisekoffer vom Rücksitz des Taxis und schlug die Tür zu.
Als Frank und Peter an einem der vielen Hallenausgänge vorbeischlenderten, hatte Frank das haltende Taxi bereits bemerkt und hielt gespannt Ausschau, ob es sich bei der Fahrerin um Tracy handelte. Erst als das Taxi wieder anfuhr, erblickte er die kurz geschnittenen schwarzen Haare unter ihrer schief sitzenden hellblauen Baseballkappe.
»Tracy, warte!«, rief er laut und machte Anstalten, auf den Taxistand zu- und, wer konnte das wissen, hinter dem abfahrenden
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