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Silberfieber

Silberfieber

Titel: Silberfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wuehrmann
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hatte ihm immer wieder neue Themen vorgeschlagen und war sogar auch auf seine skeptischen Vorbehalte eingegangen, die er gegen jedes noch so interessante Thema vorzubringen hatte. Im Gegensatz zu Katja, die es auf den Punkt gebracht und ihm vorgeworfen hatte, er wolle nur das Ende des Studiums so lange wie möglich hinauszögern, hatte er es dem unermüdlichen Professor und seiner schier endlosen Geduld zu verdanken, dass er sich endlich doch zu einem Thema hatte durchringen können. Und jetzt war er tot.
    Wenn Frank es sich genau überlegte, hatte er ihm sozusagen zum Dank für seine Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft seinen Mörder auf den Hals gehetzt. Denn schließlich hatte er Einstein ja belogen, als er ihm sagte, dass er die Karte Pfleiderer zurückgegeben hätte. Hätte er die Wahrheit gesagt und Einstein gleich erzählt, dass sich die Karte in London befand, könnte der Professor vielleicht noch leben. Frank fühlte sich schuldig, und das reichte für seinen Entschluss: Einstein würde die Karte niemals in seine verdammten Hände bekommen.
    Und vergessen würde er Einstein auch nicht. Das hieß aber nur, dass Frank sich so lange in das Kartenrätsel verbeißen musste, bis er herausgefunden hatte, was es damit auf sich hatte. Nein, Einstein würde keinen Profit aus der Karte schlagen. Irgendwie würde er es schaffen, dass Einstein wegen des Mordes an Professor Pfleiderer den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen musste.
    Dabei könnte aber tatsächlich ein Gespräch mit der Polizei nicht schaden. Frank kontrollierte sein Handy. Diese Kriminalbeamtin hatte noch immer nicht angerufen.
    Er ging zum Waschbecken und nahm den Wasserkocher, den Peter dort abgestellt hatte, um sich Wasser für einen Tee heiß zu machen. Plötzlich kam ihm ein Gedanke.
    Er füllte das Wasser ein und stellte den Kocher an. Dann rollte er die Karte wieder auseinander. Er untersuchte ihre Ränder. Die Karte war tatsächlich durch mehrere übereinandergeklebte Papierschichten stabilisiert worden. Aber vielleicht waren die verschiedenen Papierschichten ja gar nicht dazu da, sie stabiler zu machen? Vielleicht war auf einer der unteren Schichten ein Hinweis versteckt, mit dem er dem Rätsel auf die Spur kommen konnte.
    Frank nahm den Deckel vom Wasserkocher, hob die Karte mit beiden Händen vorsichtig an den Rändern an und hielt sie waagerecht über den offenen Kocher. Eine Wolke heißer Wasserdampf stieg auf und traf von unten auf die Karte. Schon bald wurde das Papier feucht und wellig. Frank passte genau auf, dass die Zeichnungen auf der oberen Schicht nicht verblassten und die Karte durch die aufsteigende Hitze nicht beschädigt wurde.
    Schließlich stellte er den Kocher ab und legte die Karte auf den Tisch zurück. Er fasste die obere Papierschicht mit Daumen und Zeigefinger an einer Ecke und versuchte, sie von den unteren Schichten abzuziehen. Überraschend einfach löste sich die obere Papierschicht, und zum Vorschein kam eine weitere alte Zeichnung mit genau den gleichen Abbildungen wie auf der ersten Karte: dem nordamerikanischen Kontinent mit der Grenze zwischen USA und Kanada, dem Nordwestatlantik und Neuschottland. Selbst die vier Pfeile mit der Struktur einer Steinmauer fanden sich an der gleichen Stelle der zweiten Kartenschicht wieder.
    Einen großen Unterschied gab es allerdings bei der zweiten Karte im Vergleich zur ersten. In der rechten unteren Ecke, mitten im blau gefärbten Wasser des Atlantiks, standen mehrere Zentimeter große Zahlen:
    41° 46’ N – 50° 14' W
    1912

11
    Einstein stützte sich direkt unterhalb des britischen Parlamentsgebäudes auf die verwitterte, graue Steinmauer, die seit Jahrhunderten das altehrwürdige Gebäude des Houses of Parliament von der Themse trennte.
    Er sah von der Promenade auf den träge dahinfließenden Fluss hinunter, als sich ihm eine Frau von der Seite her langsam schlendernd näherte. Das Auffälligste an ihr war neben den leuchtend grünen Augen die prachtvolle rote Lockenmähne, die sie mit einer leichten Kopfbewegung schüttelte, nachdem sie die Kapuze ihrer Regenjacke zurückgeschlagen hatte.
    »Hallo Daniel«, sagte sie zu dem groß gewachsenen Mann, der dem Nieselregen dadurch trotzte, dass er die dunkelbraunen Augen zusammenkniff und sich ab und zu mit dem Handrücken über das Gesicht wischte.
    »Wie war es in Deutschland? Hast du unseren alten Freund McCory getroffen?«
    Er sah sie mit einem traurigen Gesichtsausdruck an.
    »Gloria«, begrüßte er die Frau.

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