Silberglocken
hier war, um ein ernstes Wort mit Carrie Weston zu sprechen. Vielleicht war doch nicht ganz auszuschließen, dass ein winziges Körnchen Wahrheit in dem lag, was Mackenzie über ihn gesagt hatte, und er verknöcherte tatsächlich langsam. Dieser Gedanke ernüchterte ihn auf der Stelle.
“Ich muss mit Ihnen über Mackenzie sprechen”, brachte er ein wenig stockend hervor.
“Ihre Tochter ist ein reizendes Mädchen. Ich hoffe, ich habe sie nicht zu lange aufgehalten.” Carrie griff nach ihrem Mantel.
“Nein, nein. Darum geht es auch nicht, sondern darum, dass Sie meiner Tochter erzählt haben …”
“Es tut mir Leid, Mr. Lark, im habe im Augenblick wirklich keine Zeit. Mittwochs bin ich immer mit Marias Katzen an der Reihe, und ich habe mich ohnehin schon verspätet.”
Vielleicht wollte sie sich nur drücken, aber Philip war entschlossen, das nicht zuzulassen. “Haben Sie etwas dagegen, dass ich Sie begleite?”
Carrie zeigte sich zwar milde überrascht, hatte aber keine Einwände. “Nein.” Sie hob ein Paket mit Katzenfutter hoch.
Fünf Kilo, las Philip. Er wusste, dass die pensionierte Lehrerin lächerlich viele Tiere hielt. Gene hatte sich mehr als einmal bei ihm darüber mokiert, wenn er auch nichts dagegen unternahm, dass sie ständig neue Katzen auflas. Die alte Dame wohnte schon über fünfzehn Jahre hier und hatte ihre Miete immer pünktlich bezahlt. Und bis jetzt hatte sich auch keiner der anderen Mieter beschwert.
“Vielleicht wäre es besser, wenn Sie Ihren Mantel holen”, riet Carrie, während sie ihre Tür abschloss.
Philip fand das ein wenig merkwürdig. So kalt konnte es in der Wohnung doch gar nicht sein. Aber er gehorchte. “Na gut.”
Carrie wartete, während er die Treppe hinauflief. Er nahm zwei Stufen auf einmal. Kaum hatte er die Tür aufgeschlossen, stand schon Mackenzie vor ihm. “Wie findest du sie?” wollte sie wissen.
“Noch gar nicht.” Er nahm seinen Mantel vom Haken. “Ich helfe ihr schnell beim Katzenfüttern.”
Seine Tochter wirkte sehr zufrieden mit dieser Auskunft. “Wirklich? Das ist ja praktisch schon eine Verabredung.”
“Du liebe Güte, nein.” Er fuhr in die Ärmel.
“Sie hat mich gefragt, ob ich nicht am Samstag mit ihr und ihren zwei Brüdern Plätzchen backen will. Ich darf doch, Dad?”
“Darüber unterhalten wir uns später.” Carrie Weston war also schon dabei, sich bei seiner Tochter einzuschmeicheln. Das gefiel ihm ganz und gar nicht.
Mackenzie nickte nur, aber sie wirkte ein wenig besorgt, als er zur Tür ging.
Philip konnte nicht genau sagen, warum er vorgeschlagen hatte, Carrie zu begleiten. Zwar war es wichtig, einige Dinge klarzustellen, aber dafür musste er nicht unbedingt mit einer Tüte Katzenfutter hinter ihr herdackeln.
“Maria liebt Tiere”, erklärte Carrie, als sie in den Lift traten und nach unten fuhren. “Aber ich finde es nicht gut, wenn sie nachts allein draußen herumläuft, um streunende Katzen zu füttern.” Philip fing an zu begreifen. “Maria nennt sie immer ihre Straßenkinder.”
Er hoffte nur, dass die Hausverwaltung nichts von diesen Zuständen erfuhr.
Sie traten in die kalte Nachtluft hinaus, und ihr Atem kristallisierte sofort zu einer weißen Nebelwolke.
“Wie oft füttert sie die Katzen?” fragte Philip, als er Carrie die schlecht beleuchtete Straße hinunter folgte.
“Jeden Abend.”
Wenig später bogen sie in eine fast völlig dunkle Allee. Wenn Carrie es nicht ratsam fand, dass Maria nachts allein hier herumwanderte, dann konnte man das auch von ihr sagen.
Sie hatten etwa die Hälfte der Allee hinter sich gebracht, als Philip das erwartungsvolle Miauen hörte. Carrie schüttete großzügig Futter auf den Boden, und im nächsten Augenblick stürzten die Tiere sich schon darauf. Ein großer Kater rieb sich an ihrem Bein, und sie bückte sich, um ihn zu streicheln. “Das ist Brutus”, stellte sie vor. “Und das sind Jim Dandy, Knopfnase, Falke und die Bienenkönigin.”
“Haben Sie sie so getauft?”
“Nein, das war Maria. Die meisten Katzen leben schon so lange auf der Straße, dass sie sich nicht mehr umgewöhnen können. Maria hat Brutus gesund gepflegt, nachdem er in einem Kampf ein Auge verloren hatte. Er war halb tot, als sie ihn fand. Er ließ sich zwar ihre Fürsorge gefallen, aber kaum war er wieder gesund, zog es ihn wieder hinaus. Ich glaube, er war Marias erster Pflegling. Danach fing sie an, die streunenden Katzen zu füttern. Inzwischen wechseln wir uns ab. Einmal
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