Silberhuf
handele sich um Schurken. Ich atmete ziemlich schnell, als sich der Mönch näherte. Er aber hob nur seine Röcke hoch und hockte sich nieder, um sein Geschäft zu erledigen. Während die anderen warteten, rauchten oder eine Prise Schnupftabak nahmen und ganz offensichtlich über den Mönch spöttelten. Er erhob sich, und danach ritten sie alle hinunter ins Tal, genau in Richtung unseres kleinen Lamaklosters.
Ich rührte mich nicht von der Stelle, denn ich besaß einen heillosen Respekt vor dem Fernglas des Mönchs. Meine Augen verfolgten die Schurken so lange, bis ich mich vergewisserte, daß sie nicht die Absicht hatten, nach links in unser kleines Tal einzubiegen. Ihre Gestalten wurden allmählich kleiner und kleiner, und ich konnte sie kaum noch erkennen, als sie durch die Berge am anderen Ende des Tales davonzogen und schließlich völlig aus meiner Sicht entschwanden.
Mein Hirsch mit dem verkrüppelten Geweih war längst die Felsen emporgeklettert, während ich tatenlos dasaß und ihn beobachtete und nicht wagte, einen Schuß zu riskieren.
Nachdem ich eine ganze Weile verstreichen ließ, hastete ich an den Bergausläufern entlang in unser Tal zurück. Und dort saß mein Vater im Sonnenschein und rauchte seine Pfeife.
„Hast nichts zu essen mitgebracht, wie ich sehe“, sagte er, um mich zu necken, und grinste. Aber dann mußte er meine Aufregung und Röte im Gesicht bemerkt haben. „Hee, hallo, alter Junge, was ist los?“ fragte er.
Ich erzählte.
Er stellte ein paar Fragen, besonders über den Mönch. Und dann saß er da, rauchte seine Pfeife und starrte ernst vor sich hin.
„Das Ganze gefällt mir ganz und gar nicht, mein Freund“, sagte Vater mit gerunzelter Stirn. „Es gefällt mir ganz und gar nicht. Ausgerechnet auf diese Leute müssen wir stoßen.“
„Weißt du, wer sie sind?“
„Fürchte ja, und wenn du die Zeitungen lesen würdest, wüßtest du es auch. Dies ist eine Banditenbande, die gefürchtet ist von Assam bis Kashmir. Der Lama, den du gesehen hast, heißt Jaltsolin. Er ist ein ehemaliger Mönchspolizist, ein Mönch des kämpfenden Ordens vom Eisenstab aus dem Tashi-Lunpo-Kloster in Shigatse, dort, wo der Panschen Lama lebt. Vor ein paar Jahren hat er einen Abt ermordet und ist mit sehr viel Gold und Opium geflohen. Danach hat er eine Bande mit einigen der schlimmsten Meuchelmörder des Himalaja um sich geschart. Sie tauchen fortwährend in entlegenen Gegenden auf, überfallen Zugtier-Karawanen, rauben kleine Klöster aus, fallen in Städte ein und terrorisieren die Leute, während sie ihre Beute verkaufen. Es sind richtige Totschläger.“
„Hm, aber sie sind weg“, sagte ich, um mir selbst ein bißchen Mut zu machen.
„Hm!“ Vater nickte. „Was mich beunruhigt, ist, daß sie überhaupt hier aufgetaucht sind. In einer der entlegensten Gegenden der Welt. Karawanen benutzen diesen Weg nicht. Das Gras ist schlecht, und Hirten ziehen deshalb auch nicht hierher. Ich nehme an, die Bande hat ihr Hauptquartier hier.
Und das wird uns die Suche nach den Schneemenschen nicht gerade erleichtern.“
„Aber wenn die Banditen wirklich ihr Hauptlager in diesemGebiet haben, dann ist doch das ein Knüller, um den sich die Zeitungen reißen werden, stimmt’s?“
Vater lachte und sagte, ich hätte das Zeug für einen Journalisten. Dann klapste er dem Bronzepferd eins aufs Hinterteil und sagte so ganz nebenbei, als ob es nichts Besonderes wäre: „Übrigens, Silberhuf kann laufen.“
Ich starrte zuerst auf ihn und danach auf das Pferd, zu mehr war ich nicht fähig.
„Neinnnnn“, sagte ich nach einer Weile.
Aus dem großen Loch im Rücken des Pferdes hingen zwei Drähte heraus, deren Enden in einem Schalter vom Armaturenbrett des Jeeps mündeten. Vater hielt den Schalter in der Hand und schaltete ein.
Und das Pferd fing an zu laufen.
Es war unheimlich, angsteinflößend, als das große grüne Pferd seine Beine hochhob und wieder auf den Boden setzte, eines nach dem anderen, ruckartig, genau so wie die kleinen Strichmännchen, die ich in die Ecke meiner Schulbücher zeichnete und die sich zu bewegen schienen, sobald ich die Seiten umschnellte. Wie Trickfilmzeichnungen.
Und zur gleichen Zeit fing es an zu sprechen, in dieser merkwürdigen, pfeifenden Stimme.
„Kleine Überraschung, was?“ Vater konnte seinen Stolz nicht verbergen und schaltete wieder ab. Das Pferd stand still.
„Das wird ein Artikel, sage ich dir, der kann sich sehen lassen“, sagte er, vergnügt über den
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