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Silberlicht

Silberlicht

Titel: Silberlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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war. Cathy hatte eine Hühnersuppe, getoastete Käsesandwichs und einen Obstsalat aus gehackten Äpfeln zubereitet. Ihr Gesicht wirkte verhärmt und aschfahl. Ich setzte mich neben sie und breitete meine Serviette auf dem Schoß aus, doch bei dem Essensgeruch wurde mir sofort wieder übel. Während sie den Kopf zum Gebet senkte, schloss ich die Augen, atmete tief ein und fühlte mich wie eine seekranke Geisel.
    »Gott segne diese Mahlzeit. Amen.« Cathy öffnete die Augen und begann, die Suppe zu verteilen.
    »Wo ist Dad?« Normalerweise wäre die Stille ein Segen gewesen, doch heute Abend schien sie gefährlich.
    »Bei der Arbeit«, antwortete sie knapp.
    Ich nippte an meinem Wasser und versuchte, ein bisschen von dem Apfelsalat zu essen, doch schon bei dem Gedanken drehte sich mir der Magen um.
    Cathy seufzte und legte ihren Löffel neben den Teller. »Möchtest du mir etwas sagen?«, fragte sie.
    Mein Puls setzte einen Schlag aus, als hätte ich ein Loch im Herzen. »Wieso, was meinst du damit?«
    »Als du klein warst, hast du mir immer alles erzählt.« Sie klang, als fühlte sie sich betrogen.
    »Nicht alles«, sagte ich.
    »Alles Wichtige.«
    »Was soll ich dir denn erzählen?«, fragte ich. Eigentlich hatte ich mich auf keinen Fall mit ihr unterhalten wollen, doch Cathys Wille zerrte an mir wie eine Leine. Ich stützte die Ellbogen auf dem Tisch auf.
    »Bist du mit jemandem in der Schule zusammen?«, fragte sie.
    Die Frage traf mich wie ein Schlag. »Was meinst du mit ›zusammen‹?«
    »Eng, vertraut«, sagte Cathy, zu peinlich berührt, um mir in die Augen zu sehen.
    »Ich bin nie mit jemandem ausgegangen«, erwiderte ich. »Das weißt du.«
    »Werd nicht vorlaut.«
    Ich wartete, bis sie wieder das Wort ergriff.
    »Da gibt es jemanden in der Schule, der dich interessiert und den du interessierst. Jemand, mit dem du Zeit verbringst, das stimmt doch, oder?«
    »Da er kein Mitglied unserer Gemeinde ist, kannst du vielleicht verstehen, warum ich dir nicht von ihm erzählt habe.«
    Jetzt sah sie mich an. Ihr Gesicht war kalkweiß mit einem rosigen Schimmer auf den Wangen. Sie warf die Serviette auf den Tisch. »Wer ist es?« Sie schien nahe daran zu sein, die Polizei zu rufen.
    »Ich wollte es nicht«, sagte ich.
    »Wag es ja nicht, dich wieder so zu benehmen wie vorher.«
    »Vorher?«
    »Bevor Daddy dir deinen Fotoapparat weggenommen hat.«
    Also hatte Dan die Kamera seiner Tochter entsorgt. Die, mit der sie die großen, farbigen Bilder aufgenommen hatte. Doch Jenny war es gelungen, den anderen Polaroid-Apparat, dessen Bilder sie nicht entwickeln musste, zu verstecken.
    Cathys geballte Fäuste zitterten. »Du hast immer alles in Frage gestellt, immer Geheimnisse gehabt.« Sie nahm einen Schluck Wasser. »Ich dachte, das hätten wir hinter uns.«
    Ich war darauf bedacht, keinen weiteren Ärger zu verursachen, damit sie meine Leine nicht noch mehr verkürzte. »Bitte entschuldige, dass ich frech zu dir war«, sagte ich daher. »Ich fühle mich nicht gut.«
    Sie riss sich zusammen, faltete ihre Serviette und legte sie zurück in den Schoß.
    »Also, was hast du mir zu erzählen?«
    »Da gibt es jemanden in der Schule, der mich interessiert«, sagte ich. »Und er mag mich auch, aber es ist noch ganz neu und persönlich.«
    »Persönlich.« Sie wiederholte das Wort, als wollte sie es in einem Wörterbuch nachschlagen und mich damit bei Scrabble herausfordern. »Wie heißt er?«
    Ich wollte James nicht in diesen Wahnsinn mit hineinziehen. »Das möchte ich lieber nicht sagen.«
    Sie presste die Lippen aufeinander, als sie ihren Stuhl zurückschob und aufstand. »Raus.«
    Ich war zu verblüfft, um etwas zu sagen.
    »Geh in dein Zimmer!«
     
    Mit klopfendem Herzen wartete ich an meiner Zimmertür, bis ich das Geräusch von laufendem Wasser aus der Küche hörte. Auf Zehenspitzen schlich ich mich ins Arbeitszimmer und rief James an. Es war besetzt. Ich horchte auf das Signal in der Leitung, starrte auf die Bücherregale und erinnerte mich an die Gegenstände, die Dan in seiner Aktentasche hatte verschwinden lassen. An der Stelle, wo vorher eine Plakette an einem filigranen Gestell gehangen hatte, klaffte nun ein leerer Fleck.
    Leise ging ich in mein Zimmer zurück und schlüpfte in einen Pyjama. Während ich das Oberteil zuknöpfte, schweifte mein Blick durch den Raum, und ich erstarrte, als ich meine geöffnete Tasche sah. Cathy hatte die Kamera gefunden. Nicht nur, dass ich mit einem Heiden zusammen war, nun hatte

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