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Silberlicht

Silberlicht

Titel: Silberlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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halben Unterrichtstag …«, begann er.
    »Raus!«, unterbrach ihn Mitch.
    »Es ist meine Schuld …«, sagte ich, doch James legte einen Finger auf meine Lippen und drückte mir die Kamera in die Hand.
    Mitch trat wutschnaubend zur Seite. Jeder Muskel seines Körpers schien angespannt, als wir an ihm vorbei aus Billys Zimmer stürzten. Ich hielt meine Tasche und meine Schuhe gegen mein offenes Kleid gepresst, während sich James, halb nackt, seine Schuhe und das Hemd unter den Arm klemmte.
    Mitch folgte uns zur Haustür und riss sie so ungestüm auf, dass sie an der Wand abprallte. »Mit dir zusammen kommt kein Mädchen mehr in dieses Haus«, sagte er zornig. »Bring sie nach Hause, und wenn du in dreißig Minuten nicht zurück bist, dann rufe ich die Cops.«
    Sprachlos standen wir auf dem Fußabstreifer, als die Tür hinter uns ins Schloss geworfen wurde.
     
    Ich versuchte, das Zittern zu unterdrücken, doch es gelang mir nicht. Unter den neugierigen Blicken eines Paares vom Grundstück gegenüber standen wir auf der Veranda und streiften uns die restlichen Kleider über. Wir gingen zurück zur Bushaltestelle, James trug meine Tasche. Ein Polizeiwagen rollte lautlos hinter uns her. Schweigend hielten wir uns an den Händen. Es gibt immer noch das Versteck im Theater, sagte ich mir, aber die Vorstellung, dass wir nicht mehr in Billys Haus gehen konnten und in meines erst recht nicht, ließ mich mutlos werden.
    Als wir an unserem Park vorbeikamen, rieb James meine Hand hart mit seinem Daumen, als ob er mich aus unserem Schiffbruch wieder zum Leben erwecken wollte. Sein Geist schien weit entfernt.
    »Du hättest nicht den ganzen Weg mit mir gehen müssen«, sagte ich. »In einer halben Stunde wirst du es nicht schaffen.«
    Er legte den Arm um mich und zog mein Gesicht an seinen Nacken. Ich konnte den harten Schlag seines Herzens spüren und seine Kehle, die sich zu verengen schien. Ich wusste, dass er mir etwas verheimlichte. Ich rückte von ihm ab und sah ihn an, versuchte zu erraten, was ihm auf der Seele lag. Mein Herz klopfte laut und schnell. Ich wusste, dass er die schreckliche Gewissheit nicht aussprach, weil er sie nicht wahr werden lassen wollte.
    »Wir müssen die Körper zurückgeben«, sagte ich. »Nicht wahr?« Ein Schauer überlief ihn, und er sah mir in die Augen. Bitte sag nein, betete ich, doch er nickte langsam. Innerlich spürte ich, dass James ein Traum war, aus dem ich gerade erwachte.
    »Das können wir nicht«, erwiderte ich verzweifelt. »Wir wissen doch nicht einmal, wie das geht.« Doch er umfasste nur stumm meinen Kopf und küsste mich. Es war schrecklich, wie eingehend er mein Gesicht betrachtete. Als würde er sich die Farbe meiner Augen einprägen wollen, bevor er in den Himmel aufstieg.
    »Noch nicht«, sagte ich flehentlich.
    »Noch nicht«, stimmte er zu.
    Über James’ Schulter hinweg sah ich Mitchs Auto um die Ecke biegen, doch er fuhr nicht in unsere Richtung, sondern nach Süden. »Da ist Mitch«, sagte ich. James drehte sich um, aber das rostige Auto war schon außer Sicht.
     
    Der Bus stieß ein nach Diesel riechendes, zischendes Geräusch aus. James stieg mit mir ein, doch nur, um zwei Münzen in den Schlitz neben dem Fahrer zu werfen und mir meine Tasche zu reichen.
    »Bis morgen«, sagte ich.
    »Bis morgen«, rief er mir vom Bürgersteig aus zu. Er lächelte, als sich die vordere Tür schloss. Ich suchte mir einen Platz an einem offenen Fenster und ließ James dabei nicht aus den Augen. Durch die hintere Tür stiegen ein paar Fahrgäste ein, so dass ich noch Zeit hatte, mich aus dem Fenster hinauszulehnen und seine ausgestreckte Hand zu berühren. Plötzlich drehte sich James um, als hätte er jemanden nach ihm rufen hören. Das Polizeiauto, das vorhin an uns vorbeigefahren war, hielt neben dem Bordstein.
    James ließ meine Hand los. »Fahr jetzt heim.«
    Zwei Polizisten näherten sich James, während sich die hintere Bustür schloss.
    »William Blake?«
    James winkte mir beruhigend zu und antwortete: »Ja.«
    Ich lehnte mich immer noch aus dem Fenster, als ich den einen Officer sagen hörte: »Sie sind wegen Beihilfe zur Vergewaltigung festgenommen.« Ich versuchte, ihnen etwas zuzurufen, doch der anfahrende Bus war zu laut. Die Polizisten drehten James’ Arme auf den Rücken und legten ihm Handschellen an. Der Busfahrer befahl mir, mich hinzusetzen.
    Ein Auto fuhr auf den Bordstein auf, und Mitch sprang heraus. Ich stürzte zur hinteren Tür, doch sie ließ sich nicht

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