Silberlicht
mir ein, jeden Moment, den wir voneinander getrennt sind.«
»An wen hast du das geschrieben?«
Ich wusste, dass meine Wangen immer noch gerötet waren, doch daran ließ sich jetzt nichts ändern. »An niemanden«, log ich.
»Jennifer«, zischte Cathy. Dan räusperte sich, ein warnendes Grollen, das sie zum Schweigen brachte.
Ich gab den Brief an Mr. Flint zurück und registrierte, wie unglücklich Mr. Olsen dreinblickte.
»Hast du deiner Mutter nicht erzählt, dass es hier in der Schule jemanden gibt, für den du dich interessierst?«, bohrte Mr. Flint weiter.
»Nur einen Jungen«, murmelte ich.
»Selbst wenn das wahr wäre«, sagte Cathy, und überrascht merkte ich, dass sie mit dem Vizedirektor sprach und nicht mit mir, »handelt es sich dabei immer noch um Vergewaltigung. Sie ist erst fünfzehn.«
»Cathleen«, knurrte Dan.
Fünfzehn. Das konnte nicht sein. Dann erinnerte ich mich, was mich an Jennys kleinem Papierführerschein gestört hatte. Das Geburtsjahr. Sie war tatsächlich über ein Jahr jünger als Billy.
Mit einer beschwichtigenden Geste versuchte Mr. Flint, Jennys Eltern Einhalt zu gebieten.
Cathy sagte mit weinerlicher Stimme: »Ich habe die Unterwäsche gefunden, die du versucht hast auszuwaschen. Ich habe den Brief gelesen. Ich habe das Foto gesehen. Erzähl uns, was passiert ist.«
Was für ein Foto?
Dan packte sie am Arm, doch sie ließ sich nicht beirren. »Die Bücher, die du seit neuestem liest, die passen nicht zu dir. Ich weiß, worum es in
Jane Eyre
und
Sturmhöhe
geht. Um Mädchen, die verheiratete Männer lieben.«
»Genug«, wies Dan sie zurecht. »Lass ihn die Fragen stellen.«
Mr. Flint sah mich an. »Selbst die Schulsekretärin hat deine Gefühle bemerkt.«
Sprachlos starrte ich ihn an.
»Du hast Miss Lopez gegenüber zugegeben, verliebt zu sein, nicht wahr?« Er klopfte mit einem Stift auf die Tischplatte und drehte seinen Stuhl von links nach rechts, als wolle er ihn in den Boden schrauben. »Wir geben nicht dir die Schuld«, sagte er. »Aber du musst uns erzählen, was passiert ist, damit wir uns darum kümmern können. Das hier ist eine ernste Angelegenheit. Wir müssen die Wahrheit wissen.«
Die Wahrheit …, dachte ich. Na ja, ich besetze den Körper eurer Tochter, aber sonst ist alles in Ordnung.
»Wer hat dir den Anstecker gegeben?«, fragte Cathy.
Ich zuckte zusammen und versuchte instinktiv, meine Tasche mit den Händen zu bedecken. Cathy schreckte auch auf, als erwartete sie, von Dan geschlagen zu werden.
»Das habe ich dir doch gesagt«, erwiderte ich. »Von einem Freund.«
»Hast du dieses Foto gemacht?« Mr. Flint reichte mir eine weitere Klarsichtfolie, die ein Schwarzweißfoto enthielt. Ich starrte auf Mr. Browns Gesicht, wie er über seine Schulter blickte, die weiße Wand des Verwaltungsgebäudes hinter ihm. Es war das Foto, das ich mit Jennys Kamera aufgenommen hatte. Das Cathy aus meiner Schultasche gestohlen haben musste.
»Ja«, sagte ich. Ich war verwirrt. Würde der Anstecker aus Mr. Browns Klasse auf James verweisen?
»Bitte decke ihn nicht«, flehte Cathy.
»Sei ruhig«, befahl ihr Dan. Und sie gehorchte, indem sie einen Finger auf ihren Mund presste.
Der Drang zu lachen überkam mich. »Sie denken, bei dem Jungen handelt es sich um Mr. Brown?«
Dan ergriff das Wort: »Tim Redman, ein Mitglied unserer Gemeinde, arbeitete bei der Polizei«, erklärte er Mr. Flint. »Er hat uns einen Gefallen getan.« Er sah mich an. »Wir haben heute Morgen herausgefunden, dass du am Montagabend bei diesem Lehrer angerufen hast.«
Kälte umklammerte mein Herz und kroch meine Kehle hinauf. Ich hatte das eigenartige Gefühl, dass Dan dieses Schauspiel genoss. Ein Polizist aus Jennys Gemeinde hatte den beiden also dabei geholfen, ihre Tochter auszuspionieren. Officer Redman. Das war sicher der uniformierte Mann, den ich bei dem Picknick mit einem schlafenden Baby auf der Schulter gesehen hatte.
»Nein«, sagte ich. »Nun, ja, ich habe bei ihm angerufen. Aber der Mann, den ich mag, ist nicht Mr. Brown.«
Wie aufs Stichwort kam Mr. Brown zur Tür herein. Offensichtlich hatte er keine Ahnung, warum man ihn hierherbeordert hatte. Ratlos blickte er zwischen unseren Gesichtern umher. Ich hatte panische Angst, dass er denken könnte, ich hätte ihn eines Vergehens bezichtigt. Meine Augen suchten seinen Blick. »Lauf!«, drängte ich ihn in Gedanken. »Das ist eine Falle!«
»Sie wollten mich sehen?« Er war mittlerweile sichtlich
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