Silberlinge
Augenblick entdeckte ich blinde Wut, überheblichen Stolz und einen grausamen Blutdurst. Er fing sich schnell wieder, dennoch färbten die Spuren seiner im Verborgenen brodelnden Emotionen seine Stimme.
»So sei es. Ich werde Sie töten, Magier.«
Es klang sehr überzeugend und machte mir Angst. Ich drehte mich um und ging zur Tür. »Ich warte draußen«, sagte ich zu niemand im Besonderen und trat in die kalte Februarnacht hinaus.
So hatte ich wenigstens eine Erklärung für mein Zittern.
18. Kapitel
Ich musste nicht lange warten, bis Kincaid zu mir herauskam. Er sagte kein Wort, sondern ging einfach zu einer gemieteten Limousine und fuhr weg. Ortega war der Nächste. Ein Wagen bog von der Straße ab und hielt, der Vampir öffnete die Beifahrertür und sah mich noch einmal an.
»In gewisser Weise achte ich Ihre Prinzipien und Fähigkeiten, Dresden. Allerdings haben Sie diese Situation erst heraufbeschworen, und ich kann nicht zulassen, dass es so bleibt. Es tut mir leid.«
Ich schenkte mir die Antwort. Er hatte kein Wort gesagt, das nicht der Wahrheit entsprochen hatte. Ortega hatte wirklich ein Hühnchen mit mir zu rupfen und wollte seine Leute – na ja, seine Mitmonster – beschützen. Bisher stand es im Kampf Dresden gegen die Vampire eine ganze Menge zu gar nichts. Hätte ein Vampir so etwas mit dem Weißen Rat gemacht, dann hätten wir vermutlich nicht so besonnen und ruhig reagiert.
Die Heckleuchten von Ortegas Wagen waren noch nicht ganz verschwunden, da kam Thomas und schlenderte lässig zu mir herüber. Er war knapp eins achtzig und damit einen halben Kopf kleiner als ich. Allerdings sah er erheblich besser aus, und trotz meiner Kommentare über seinen Aufzug zählte er zu jenen Männern, denen einfach alles stand. Das Netzhemd zeichnete interessante Muster auf seine bleiche Haut und betonte die trainierten Bauchmuskeln.
Ich hatte ebenfalls Bauchmuskeln, nur nicht so viele, dass sie sich einzeln abzeichneten. In so einem Hemd hätte ich erbärmlich ausgesehen.
»Das ging ja schnell«, sagte Thomas. Er zog ein Paar lederne Autohandschuhe aus der Jackentasche. »Das Duell ist wohl nicht das Einzige, was momentan in der Stadt los ist.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Seit ich gestern gelandet bin, folgt mir ein Profikiller. Das Jucken zwischen den Schulterblättern wird allmählich lästig.«
Ich sah mich um. »Ist er gerade in der Nähe?«
»Nein.« Thomas’ Augen funkelten. »Ich habe ihn meinen Schwestern vorgestellt.«
Die Vampire des Weißen Hofs waren die menschlichsten und in gewisser Weise auch die schwächsten ihrer Art. Sie nährten sich von psychischen Energien, von der reinen Lebenskraft, statt vom Blut. Häufig verführten sie ihre Opfer und entzogen ihnen beim Liebesspiel die Lebenskraft. Wenn der Killer, der Thomas verfolgt hatte, zwei seiner Schwestern getroffen hatte, dann stellte er mit einiger Sicherheit kein Problem mehr dar. Nie wieder. Mein Auge zuckte.
»Wahrscheinlich arbeitet der Killer für Ortega«, erwiderte ich. »Er hat ein paar Gauner angeheuert, um Leute zu töten, die ich kenne, falls ich mich nicht auf das Duell einlasse.«
»Das erklärt einiges«, meinte Thomas. »Ortega kann mich nicht gut leiden. Das liegt wohl an der unfeinen Gesellschaft, in der ich mich in der letzten Zeit bewegt habe.«
»Vielen Dank auch. Wie kommt es überhaupt, dass Sie sein Sekundant geworden sind?«
»Mein Vater hält das für einen Scherz. Ortega hat zuerst ihn darum gebeten. Gewissermaßen als ein Zeichen der Solidarität zwischen dem Roten und dem Weißen Hof. Mein lieber Daddy zog es aber vor, das nervigste, abscheulichste Mitglied seiner Familie als Vertreter auszuwählen.«
»Also Sie.«
»C’est moi.« Thomas verbeugte sich leicht. »Man könnte fast denken, mein Vater wünscht mir den Tod.«
Wider Willen musste ich lächeln. »Eine schöne Vaterfigur. Er und Bill Cosby würden sich prima ergänzen. Wie geht es Justine?«
Thomas schnitt eine Grimasse. »Sie ist in Aruba. Da war ich auch, bevor Papa Raiths Handlanger mich hierhergeschleppt haben.«
»Was haben Sie nun hinsichtlich des Duells entschieden?«
Thomas schüttelte den Kopf. »Das kann ich Ihnen nicht sagen, das muss Shiro übernehmen. Genau genommen führen wir Krieg gegeneinander.«
Ich schnitt eine Grimasse und blickte in die Richtung, in die Ortegas Wagen gefahren war. »Ja.«
Thomas schwieg einen Moment, ehe er fortfuhr: »Er will Sie töten.«
»Das weiß ich.«
»Er ist
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