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Silberlinge

Silberlinge

Titel: Silberlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Blazer mit passenden Hosen und ein rotes Seidenhemd. Trotz der Kälte hatte er auf einen Mantel verzichtet. Seine Haut war dunkler, als ich es in Erinnerung hatte. Vielleicht hatte er vor kurzem gespeist. Gelassen und offenbar völlig ausgeglichen überblickte er den Raum und begrüßte Mac mit einer angedeuteten Verbeugung. Der Wirt antwortete mit einem knappen Nicken. Dann fiel der Blick des Vampirs auf Shiro. Der alte Mann sagte nichts und rührte sich auch nicht. Schließlich betrachtete Ortega mich mit unbewegter Miene und nickte leicht, und zuletzt begrüßte er Kincaid auf die gleiche Weise. Dieser winkte mit einer Hand.
    »Wo ist Ihr Sekundant?«, fragte Kincaid.
    Ortega schnitt eine Grimasse. »Er musste sich noch frisieren.«
    In diesem Augenblick flog die Tür auf, und ein junger Mann marschierte federnden Schrittes in die Kneipe. Er trug eine enge schwarze Lederhose, ein schwarzes Netzhemd und eine weiße Lederjacke. Seine dunklen Haare hingen als widerspenstige Mähne bis auf die Schultern herab. Er hatte das Gesicht eines Models, rauchgraue Augen und dichte, schwere Wimpern. Ich kannte ihn. Es war Thomas Raith, ein Vampir vom Weißen Hof.
    »Hi, Thomas«, begrüßte ich ihn.
    »Guten Abend, Harry«, antwortete er. »Wo ist denn Ihr Mantel?«
    »Das hängt mit einer Frau zusammen.«
    »Verstehe«, sagte Thomas. »Jammerschade. Es war Ihr einziges Kleidungsstück, das mir die Hoffnung gab, in Ihnen könnte doch noch ein bisschen Stilgefühl stecken.«
    »Das müssen Sie gerade sagen. Was Sie da tragen, erinnert verdächtig an Elvis.«
    »Der junge, schlanke Elvis war gar nicht so übel«, wehrte Thomas sich.
    »Ich dachte an den fetten, alten Elvis. Vielleicht sogar an Michael Jackson.«
    Der bleiche Mann schlug sich eine Hand aufs Herz. »Das tut weh, Harry.«
    »Ja. Ich hatte auch einen schweren Tag.«
    »Meine Herren«, schaltete sich Kincaid ungeduldig ein. »Können wir beginnen?«
    Ortega und ich nickten gleichzeitig. Kincaid stellte der Reihe nach alle Anwesenden vor und präsentierte uns schließlich ein Dokument, aus dem hervorging, dass er für das Archiv arbeitete. Es war mit Wachsmalstiften geschrieben. Ich trank noch etwas Bier. Anschließend bat Kincaid Shiro und Thomas an einen Nebentisch. Ich kehrte an die Theke zurück, und kurz darauf folgte mir Ortega. Er ließ sich zwei Hocker weiter nieder, während Kincaid, Shiro und Thomas sich im Hintergrund leise berieten.
    Ich trank meine Flasche aus und stellte sie mit einem kleinen Knall ab. Mac reagierte sofort und wollte mir eine neue geben. »Lieber nicht. Für heute steht genug auf meinem Deckel.«
    Ortega legte zwanzig Dollar auf die Theke. »Das geht auf mich. Und ich hätte auch gern eins.«
    Mir lag die bissige Bemerkung auf der Zunge, dass ein ausgegebenes Bier schwerlich ein Ausgleich für die tödliche Bedrohung war, der er mich ausgesetzt hatte, aber ich verkniff es mir. Shiro hatte recht, was das Kämpfen anging. Einen Kampf, zu dem man gar nicht erst antritt, kann man auch nicht verlieren. So nahm ich das Bier, das Mac mir hinstellte, und sagte nur: »Danke, Ortega.«
    Er nickte und trank einen Schluck. Seine Augen leuchteten, und er trank langsam weiter. »Das tut gut.«
    Mac grunzte.
    »Ich dachte, ihr trinkt lieber Blut«, sagte ich.
    »Mehr brauchen wir im Grunde nicht«, gab Ortega zu.
    »Warum trinken Sie dann was anderes?«
    Er hob die Flasche. »Leben bedeutet mehr als bloß zu überleben. Immerhin brauchen Sie im Grunde auch nur Wasser.
    Warum trinken Sie dann Bier?«
    »Haben Sie mal das Wasser in dieser Stadt probiert?«
    »Touché.« Er lächelte leicht.
    Ich drehte die schlichte braune Flasche in den Händen hin und her. »Ich will das nicht«, sagte ich.
    »Das Duell?«
    Ich nickte.
    Ortega stützte einen Ellbogen auf die Bar und betrachtete mich. »Ich auch nicht. Es ist nichts Persönliches, und ich will diesen Kampf nicht.«
    »Dann lassen Sie es doch«, sagte ich, »und wir überleben beide.«
    »In dem Fall würde der Krieg weitergehen.«
    »Er ist schon seit fast zwei Jahren im Gange«, entgegnete ich. »Meist war es nur ein Katz-und-Maus-Spiel, es gab ein paar Überfälle und Kämpfe in dunklen Gassen. Letztlich ist es wie der Kalte Krieg, nur mit weniger Republikanern.«
    Ortega beobachtete mit gerunzelter Stirn Mac, der hinter der Theke den Grill säuberte. »Es kann jederzeit schlimmer werden, Mister Dresden. Viel schlimmer. Wenn der Konflikt eskaliert, ist das Gleichgewicht der Macht zwischen der

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