Silbermantel
und sie wirkte recht eindrucksvoll. An beiden Armen und um den Hals trug sie goldenen Schmuck; er glitzerte und funkelte bei jeder ihrer Bewegungen im Licht des Feuers, und Dave hatte den Eindruck, als sei sie selbst plötzlich zu einem Flammenwesen geworden.
Sie wartete, bis die Menge still wurde. Dann hob Liane, anstatt zu tanzen, ihre Stimme. »Wir haben Grund zu feiern«, sang sie. »Der Jagderfolg Levon dan Ivors wird in diesem Winter in Celidon in aller Munde sein, und zahlreiche Winter danach.« Donnernder Beifall kam auf. Liane ließ ihn verebben. »Doch dieser Jagderfolg«, fuhr sie fort, »ist möglicherweise nicht die tapferste Tat, die wir heute Abend zu feiern haben.« Die Menge verstummte völlig verblüfft. »Noch eine mutige Tat wurde vollbracht«, fuhr Liane fort, »mehr im Verborgenen, im nächtlichen Wald, und sie hat es verdient, dass alle vom dritten Stamm sie kennen und feiern.«
Was? dachte Dave. O je. Zu mehr blieb ihm keine Zeit. »Holt herbei Torc dan Corcha«, rief Liane, »und mit ihm Davor, unseren Gast, damit wir ihnen Ehre erweisen!«
»Hier sind sie!« schrie eine hohe Stimme hinter Dave, und plötzlich drängte ihn der verdammte Tabor vorwärts, und Levon hatte mit breitem Grinsen Torc am Arm gepackt, und die beiden Söhne Ivors führten sie durch die sich teilende Menge, bis sie neben dem Häuptling standen.
Qualvoll seiner selbst bewusst stand Dave im hellen Licht der Feuer da und hörte Liane in das versunkene Schweigen hinein weitersprechen.
»Ihr wisst nicht«, rief sie den Stammesleuten zu, »wovon ich spreche, daher werde ich es euch vortanzen.« O Gott, dachte Dave. Er war, das wusste er, bestimmt puterrot. »Wir wollen ihnen Ehre erweisen«, wiederholte Liane, nun viel leiser, »indem wir Torc dan Sorcha in diesem Stamm nicht länger den Ausgestoßenen nennen, denn wisset, diese zwei haben, zwei Nächte ist es her, im Faelinnhain einen Urgach erlegt.«
Sie hatten es tatsächlich nicht gewusst, wurde Dave klar, und er wünschte sich, irgendwo verschwinden zu können, im Bewusstsein, dass es Torc ähnlich erging. Der begeisterten Reaktion des Stammes entnahm er, dass keiner eine Ahnung gehabt hatte.
Dann begann die Musik, und nach und nach legte sich die Röte in seinem Gesicht, denn jetzt blickte niemand mehr zu ihm herüber: Liane tanzte zwischen den Feuern.
Sie bezog alles mit ein, staunte er wie gebannt, ganz allein. Die zwei schlafenden Knaben im Wald, Torc, ihn selber, ja sogar die Atmosphäre, die Stimmung, die des Nachts im Faelinnhain herrschte – und dann wiederholte sich für ihn auf unglaubliche Weise, sei es durch die Wirkung des Alkohols, des Feuerscheins oder irgendwelcher Zauberkünste, das Erlebnis, den Urgach zu sehen, riesenhaft, furchterregend, der sein gigantisches Schwert schwang.
Aber im Feuerkreis befand sich doch nur ein einzelnes Mädchen, ein Mädchen mit seinem Schatten, tanzend, spielend, die Szene verkörpernd, die es gestaltete, die es ihnen allen darbot. Er sah seinen eigenen, instinktiven Sprung, dann den von Torc, den brutalen Schlag des Urgachs, der Torc gegen den Baum geschleudert hatte …
Liane kannte jede Einzelheit, stellte er verblüfft fest. Dann drang ein Lächeln durch seine Verwunderung und seinen erwachenden Stolz: Natürlich, sie hatte ja gehorcht, als sie Ivor davon erzählt hatten. Plötzlich war ihm danach, zu lachen, zu weinen, eine irgendwie geartete Form von Emotion zu zeigen, während er zusah, wie Liane seine eigene verzweifelte Abwehr des Schwerthiebes des Urgachs vortanzte, und dann endlich Tores Messerwurf – sie war Torc, sie war seine Klinge, und dann war sie das Untier, das wie ein gefällter Baum zu Boden stürzte. Dies alles drückte sie aus, in seiner Gesamtheit, und am Ende war sie doch kein törichtes Mädchen.
Ivor sah den Urgach schwanken und fallen, und dann war die Tänzerin wieder sie selber, Liane, und sie wirbelte zwischen den Feuern umher, ihre nackten Füße hatten Flügel, der Schmuck blitzte an ihren Armen, und sie bewegte sich so schnell, dass ihr kurzes Haar hinter ihr aufflog, während sie in wildem Ungestüm den Tanz an sich, die Heidentat im nächtlichen Wald, diese Nacht und die folgende, und alle die Tage verherrlichte, die vor der Stunde folgen sollten, die deinen Namen kennt.
Der Hals war ihm wie zugeschnürt, als er sie langsamer werden sah, als ihre Bewegungen nachließen, bis sie, die Hände über den Brüsten gekreuzt, den Kopf gesenkt, bewegungslos dastand, der ruhende Punkt
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