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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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und sah wieder, entdeckte aufs Neue, wie schön sie war.
    »Warum hast du dich mit mir verbunden?« fragte er aus einem Impuls heraus.
    Sie zuckte die Achseln. »Du hast mich darum gebeten.« Lachend stieg er vom Pferd, und sie gingen, jeder mit einem Pferd am Zügel, seines und das von Tabor, zurück ins Lager. Sie brachten die Tiere in die Koppel und machten sich auf den Heimweg.
    »Ich habe gelogen«, gestand Leith ruhig. »Ich habe dich genommen, weil kein anderer Mann, den ich kenne, so mein Herz hätte bewegen können, indem er mich darum bat.«
    Er wandte sich ab vom Mond und ihr zu. »Die Sonne geht in deinen Augen auf«, deklamierte er. So lautete der Antrag in aller Form. »So war es immer, meine Geliebte.«
    Er küsste sie. Sie lag süß und duftend in seinen Armen, und sie war fähig, seine Leidenschaft zu entfachen …
    »In drei Stunden geht die Sonne auf«, bemerkte sie und machte sich los. »Komm ins Bett.«
    »Aber gewiss doch«, entgegnete Ivor. »Zum Schlafen«, warnte sie vorsorglich. »Ich bin nicht«, protestierte Ivor, »vierzehn Jahre alt. Und müde bin ich auch nicht.«
    Sie sah ihm einen Moment lang streng ins Gesicht, dann hellte das Lächeln ihr Gesicht wie von innen heraus auf.
    »Gut«, sagte Leith, seine Frau. »Ich auch nicht.« Sie nahm seine Hand und zog ihn hinter sich her ins Haus.
    *
    Dave hatte keine Ahnung, wo er sich befand, und bis auf die vage Vorstellung, dass sein Ziel im Süden zu suchen sei, auch keine Ahnung, wohin er sich wenden sollte. Es war nicht damit zu rechnen, dass es im Pendaranwald Wegweiser gab, welche die Entfernung nach Paras Derval verkündeten.
    Andererseits war er absolut sicher, dass Torc und Levon, falls sie noch am Leben waren, nach ihm suchen würden, daher schien es nur zu ratsam, zu bleiben, wo er war, und ab und zu zu rufen.
    Das wiederum machte es möglich, dass etwas anderes darauf reagierte, aber das konnte er nicht ändern.
    Indem er sich an Tores Bemerkungen über die »Kleinkinder« im Faelinnhain erinnerte, setzte er sich mit dem Rücken an einen Baum, auf der Seite einer Lichtung, wo der Wind von hinten wehte, wo er sehen konnte, was da möglicherweise auf ihn zukommen würde, und die Chance hatte, zu hören oder zu riechen, was sich von hinten näherte. Doch dann gab er sogleich dieses bisschen Deckung wieder auf, indem er mehrmals lauthals Levons Namen brüllte.
    Daraufhin blickte er sich um, aber nichts regte sich. Dagegen wurde sich Dave, als das Echo seiner Rufe verhallt war, des Schweigens im Walde nur allzu deutlich bewusst. Dieses ungestüme Brausen, wie vom Wind herrührend, schien alles mit sich fortgetragen zu haben. Offenbar war er völlig allein.
    Doch nicht ganz. »Du machst es«, ertönte eine tiefe Stimme beinahe direkt unter ihm, »ehrenwerten Leuten sehr schwer, zu schlafen.«
    Dave sprang erschrocken auf, hob die Axt und sah ängstlich zu, wie ein großer, umgestürzter Baumstamm beiseitegerollt wurde und den Blick auf eine Reihe Stufen freigab, die nach unten führten, und auf eine Gestalt, die heraufkletterte und zu ihm aufblickte.
    Hoch hinauf. Das Wesen, das er geweckt hatte, sah eher aus wie ein feister Gnom als irgendetwas anderes. Ein überlanger weißer Bart stand im Kontrast zu einem kahlen Schädel und ruhte behaglich auf einem gewaltigen Bäuchlein. Die Gestalt trug eine Art loses Gewand mit einer Kapuze und war nicht viel größer als einen Meter.
    »Könntest du dich vielleicht bequemen«, fuhr die Bassstimme fort, »diesen Levon von irgendeiner anderen Örtlichkeit aus zu rufen?«
    Dave verwarf den eher bizarren Impuls, sich zu entschuldigen, ebenso den, zuerst zuzuschlagen und dann Fragen zu stellen, hob stattdessen die Axt in Schulterhöhe und knurrte: »Wer bist du?«
    Es brachte ihn aus der Fassung, dass der kleine Mann lachte. »Namen willst du hören, so früh schon? Sechs Tage bei den Dalrei hätten dich lehren sollen, dir mit derlei Fragen Zeit zu lassen. Nenne mich Flidais, wenn du möchtest, und nimm gefälligst das da herunter.«
    Die Axt sprang, plötzlich einem lebendigen Wesen gleich, aus Daves Händen und fiel ins Gras. Flidais hatte sich überhaupt nicht gerührt. Mit offenem Mund starrte Dave den kleinen Mann an. »Ich bin gereizter Stimmung, wenn ich geweckt werde«, bemerkte Flidais versöhnlich. »Und du solltest eigentlich wissen, dass man nicht mit einer Axt hierherkommt. Ich würde sie liegenlassen, wenn ich du wäre.«
    Dave fand die Sprache wieder. »Nur wenn du sie mir abnimmst«,

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