Silbermantel
Frauen, seinem Beispiel gefolgt. Mit übervollem Herzen wurde Kevin plötzlich bezüglich Ailerons eines klar. Dies, genau dies war es. was ihn zum Führer machte, allein die Stärke seines Beispiels und seiner Überzeugungskraft. Selbst Diarmuid, sah er, hatte es seinem Bruder nachgetan.
Sein Blick traf sich mit dem von Kim, über die Köpfe der knienden Brüder hinweg. Ohne genau zu wissen, wozu er in diesem Moment sein Einverständnis erklärte, nickte er und war tief bewegt, als er die Erleichterung sah, die sich auf ihrem Gesicht zeigte. Sie war ihm, wie es schien, doch nicht so fremd, unbeschadet ihres weißen Haares.
Aileron erhob sich wieder, und alle anderen taten das gleiche. Paul hatte sich nicht vom Fleck gerührt und nichts gesagt. Er schien seine Kräfte zu schonen. Mit ruhiger Stimme erklärte der Prinz: »Wir sind über alle Maßen dankbar für das, was du uns gewoben hast.«
Schafers Lippen gerieten in Bewegung, zeigten ein angedeutetes Lächeln. »Nun habe ich Euch doch Euren Tod nicht genommen«, waren seine Worte.
Aileron versteifte sich; ohne zu antworten wirbelte er herum und begab sich erneut zum Thron. Nachdem er die Stufen erklommen hatte, drehte er sich wieder um und erfasste sie allesamt mit seinem zwingenden Blick. »Rakoth ist frei«, machte er ihnen klar. »Die Steine sind zerbrochen, und wir befinden uns im Krieg gegen die Finsternis. Ich sage euch allen, auch dir, mein Bruder –« Hier wurde seine Stimme plötzlich rau. »– ich sage euch, dass ich geboren bin, diese Auseinandersetzung zu führen. Ich habe das mein ganzes Leben lang gespürt, ohne es genau zu wissen. Nun weiß ich es. Dies ist mein Schicksal. Dies ist«, rief Aileron, und die Leidenschaft machte sein Gesicht leuchten, »dies ist mein Krieg!«
Die Kraft, die hinter seinen Worten lag, war überwältigend, ein Aufschrei inniger Überzeugung, aus ganzem Herzen vorgebracht. Selbst in Jaelles erbittertem Blick war eine Art von Hinnahme zu lesen, und Diarmuids Gesicht war frei von Hohn.
»Arroganter Hund«, schleuderte Paul Schafer ihm entgegen.
Die Wirkung glich einem Tritt ins Gesicht. Sogar Kevin war davon betroffen. Er sah, wie Aileron den Kopf zurückwarf, wie er vor Verblüffung die Augen aufriss.
»Wie anmaßend wollt Ihr Euch eigentlich noch aufführen«, fuhr Paul fort, trat vor und stellte sich vor Aileron. »Euer Tod. Eure Krone. Euer Schicksal. Euer Krieg. Euer Krieg?« Seine Stimme überschlug sich. Er stützte sich mit einer Hand am Tisch ab.
»Pwyll«, versuchte Loren, ihn zu mäßigen, »Paul, warte.« »Nein!« knurrte Schafer. »Mir gefällt das nicht, und es gefällt mir nicht, mich dem fügen zu müssen.« Er wandte sich erneut Aileron zu. »Was ist mit den Lios Alfar?« verlangte er zu wissen. »Loren sagte mir, zwanzig von ihnen seien bereits tot. Was ist mit Cathal? Ist es nicht auch ihr Krieg?« Er deutete auf Sharra. »Und Eridu? Und die Zwerge? Ist dies etwa nicht Matt Sörens Krieg? Und wie steht es mit den Dalrei? Zwei von ihnen sind zu dieser Stunde hier, und siebzehn haben ihr Leben gelassen. Siebzehn Dalrei sind tot. Tot! Ist es etwa nicht ihr Krieg, Prinz Aileron? Und seht uns an. Seht Kim an – seht sie gefälligst an, was sie für Euch auf sich genommen hat. Und –«
Seine Stimme wurde heiser. »– denkt einmal an Jen, wenn es Euch beliebt, nur eine Sekunde lang, ehe ihr alleinigen Anspruch auf alles erhebt.«
Unbehagliches Schweigen breitete sich aus. Aileron hatte kein einziges Mal die Augen von Paul abgewandt, während dieser sprach, und er tat dies auch jetzt nicht. Als er selber das Wort ergriff, war sein Tonfall gänzlich anders, beinahe flehentlich. »Ich verstehe«, beteuerte er steif. »Ich verstehe alles, was Ihr sagt, doch ich kann nicht ändern, was ich nun einmal weiß. Pwyll, ich bin in diese Welt hineingeboren, um diesen Krieg auszufechten.«
Seltsam beschwingt ergriff nun Kim Ford zum ersten Mal in aller Öffentlichkeit das Wort, als Seherin von Brennin. »Paul«, sprach sie, »ihr alle, ich muss euch mitteilen, dass ich dies vorausgesehen habe. Ysanne ebenfalls. Das ist der Grund, warum sie ihm Zuflucht gewährt hat. Paul, was er sagt, entspricht der Wahrheit.«
Schafer sah sie an, und der heilige Zorn, an den sie sich so gut erinnerte, zu dem er früher, vor Rachels Tod, fähig gewesen war, verblasste vor ihrer eigenen inneren Überzeugung. Oh, Ysanne, dachte sie, während sie ihn schwinden sah, wie hast du dieser Last nur standhalten können?
»Wenn du es
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