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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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mir sagst, will ich es glauben«, erklärte Paul, offensichtlich erschöpft. »Aber du weißt auch, dass es sein Krieg bleibt, selbst wenn er nicht Großkönig von Brennin ist. Er wird ihn in jedem Fall ausfechten. Mir erscheint dies der falsche Weg, einen König zu wählen.«
    »Hast du einen Vorschlag zu machen?« fragte Loren und versetzte sie allesamt in Erstaunen damit.
    »Ja«, antwortete Paul. Und ließ sie alle warten. »Ich schlage vor, die Göttin entscheiden zu lassen. Sie, die den Mond gesandt hat. Lasst ihre Priesterin ihren Willen zum Ausdruck bringen«, bot der Pfeil des Gottes nach einer Weile als einzige Alternative an und sah zu Jaelle hinüber.
    Alle folgten sie seinem Blick. Am Ende schien alles irgendwie unausweichlich darauf hinauszulaufen, dass die Göttin den einen König zu sich nahm und an seiner Stelle einen neuen aussandte.
    Sie hatte, während sich dieser Wortwechsel abspielte, nur auf den Moment gewartet, da sie sie allesamt unterbrechen und genau dies sagen konnte. Nun hatte er ihr diese Aufgabe abgenommen.
    Sie musterte ihn einen Augenblick lang, ehe sie sich erhob, hochgewachsen und schön, um ihnen den Willen Danas und Gwen Ystrats zu verkünden, wie es vor langer Zeit bei der Ausrufung von Königen üblich war. In einem Raum, in welchem sich soviel Macht manifestierte, war die ihre nicht die geringste und bei weitem die älteste.
    »Es gibt Anlass zur Sorge«, begann sie und warf einen Hasserfüllten Blick in die Runde, »dass erst ein Fremder nach Fionavar kommen muss, um euch an den ordnungsgemäßen Ablauf gewisser Dinge zu erinnern. Aber wie dem auch sei, höret nun, was der Göttin Wunsch und Wille –«
    »Nein«, wurde sie von Diarmuid unterbrochen. Und es hatte den Anschein, als sei schließlich doch nichts so unausweichlich. »Tut mir leid, Herzchen. Bei aller Ehrerbietung vor Eurem strahlenden Lächeln, ich bin nicht bereit, mich diesem ›Höret der Göttin Wunsch und Willen‹ zu fügen.«
    »Du Narr!« rief sie aus. »Bist du darauf aus, verflucht zu werden?«
    »Man hat mich längst verflucht«, erwiderte Diarmuid mit einiger Leidenschaft. »Und zwar einige Male in letzter Zeit. Ich habe heute eine Menge durchgemacht, und ich brauche dringend einen Krug Bier. Soeben ist mir aufgegangen, dass ich es mir als Großkönig kaum erlauben könnte, des Abends rasch einmal im Keller vorbeizuschauen, und genau das habe ich zu tun vor, sobald wir meinen Bruder gekrönt haben und ich diesen Dolch in meinem Arm losgeworden bin.«
    Selbst Paul Schafer hielt sich bescheiden zurück angesichts der Erleichterung, die in jenem Moment im bärtigen Gesicht Ailerons da Ailell aufblitzte, dessen Mutter Marrien vom Geschlecht der Garantae gewesen war und der im späteren Verlauf dieses Tages von Jaelle, der Priesterin, zum Großkönig von Brennin gekrönt werden sollte, um das Reich und seine Verbündeten in den Krieg gegen Rakoth Maugrim und die Legionen der Finsternis zu führen.
    *
    Ein Bankett oder ein Fest gab es nicht; dies war eine Zeit der Trauer und des Krieges. Und so kam es, dass Loren bei Sonnenuntergang die vier um sich versammelte, zusammen mit den beiden jungen Dalrei, von denen Dave sich nicht trennen lassen wollte, im Stadtquartier des Magiers. Einer der drei hatte eine Wunde am Bein. Zumindest damit hatte seine Magie fertig werden können. Ein schwacher Trost, wenn man bedachte, wie viel ihm in letzter Zeit misslungen zu sein schien.
    Während er seine Gäste betrachtete, zählte er in Gedanken die Tage. Acht waren es; acht Tage, seit er sie hierhergebracht, und so vieles hatten sie durchgemacht. Er konnte weitreichende Veränderungen an Dave Martyniuks Gesicht ablesen, und an dem stillschweigenden Bund, der ihn mit den beiden Reitern vereinte. Dann, als der große Mann seine Geschichte erzählte, begann Loren zu begreifen, und er wunderte sich sehr. Ceinwen. Flidais im Pendaran. Und Oweins Horn, das Dave sich über die Schulter gehängt hatte.
    Was das auch immer für eine Macht gewesen war, die von ihm Besitz ergriffen hatte, als er ausgerechnet diese fünf hierhergeholt hatte, groß war sie gewesen und tief greifend.
    In der Tat waren es fünf Menschen gewesen, nicht vier: Doch in diesem Raum waren nur vier versammelt, und die Gedanken an die Abwesende machten sich zwischen ihnen bemerkbar wie eine nachklingende Saite.
    Und wurden gleich in Worte gefasst. »Zeit, mit dem Nachdenken darüber zu beginnen, wie wir sie uns wiederholen«, stellte Kevin Laine nüchtern fest.

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