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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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verhalte ich mich so.«
    »Meint Ihr beim Ta’Bael?« »Auch in anderer Hinsicht«, antwortete Paul nach einigem Zögern.
    Überraschenderweise nickte Ailell daraufhin. »Ich war auch einmal so, wenn es Euch auch schwer fallen mag, das zu glauben.« Sein Gesichtsausdruck war selbstkritisch. »Ich habe diesen Thron in einer wirren Zeit gewaltsam erobert und in den ersten Jahren mit dem Schwert verteidigt. Wenn daraus eine Dynastie werden soll, beginnt sie mit mir und wird fortgesetzt durch … durch Diarmuid, nehme ich an.« Paul schwieg, und gleich darauf fuhr der König fort. »Es ist die Macht, die zur Geduld erzieht; der Besitz der Macht, meine ich. Und man lernt ihren Preis kennen – eine Einsicht, die mir in Eurem Alter fehlte, als ich noch geglaubt habe, Geistesgegenwart und ein Schwert könnten alle Probleme lösen. Ich hatte noch nicht erfahren, was die Macht kostet.«
    Ailell beugte sich über das Spielbrett und griff nach einer der Figuren.
    »Nehmt z. B. die Königin beim Ta’Bael«, sagte er. »Sie ist die mächtigste Figur auf dem Brett, und doch muss sie beschützt werden, wenn sie von einem Turm oder Springer angegriffen wird, denn lässt man einen derartigen Abtausch zu, ist das Spiel verloren. Und was den König angeht«, fügte Ailell dan Art fort, »beim Ta’Bael kann man den König nicht opfern.«
    Paul konnte den Ausdruck in dem eingefallenen, immer noch gutaussehenden Gesicht nicht deuten, aber es lag ein neuer Ton in der Stimme, etwas tief unter der Oberfläche der Worte hatte eine Veränderung durchgemacht.
    Ailell schien sein Unbehagen zu spüren. Noch einmal lächelte er kaum merklich. »Ich bin nachts nicht besonders umgänglich«, gab er zu, »besonders heute Nacht. Zu vieles kehrt ins Gedächtnis zurück. Ich habe zu viele Erinnerungen.«
    »Ich habe selbst zu viele«, bekannte Paul, einem Impuls folgend, und verfluchte sich im gleichen Moment, als er die Worte aussprach.
    Ailells Miene war jedoch freundlich, sogar mitleidig. »Das dachte ich mir«, sagte er. »Ich weiß nicht warum, aber ich dachte es mir.«
    Paul beugte sich über den großen Weinkelch und nahm einen tiefen Schluck. »Herr«, begann er dann, um das entstandene Schweigen mit einem neuen Thema, ganz gleich welchem, zu durchbrechen, »warum hat die Priesterin gesagt, Loren hätte sie befragen müssen, ehe er uns herbrachte? Was hat –«
    »Sie hatte mit ihrer Behauptung unrecht, und ich werde ihr eine entsprechende Rüge zukommen lassen. Auch wenn es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass sie auf mich hört.« Ailells Gesichtsausdruck war bekümmert. »Sie liebt es, Ärger zu machen, Spannungen heraufzubeschwören, aus denen sie möglicherweise Vorteile ziehen kann. Jaelle ist unglaublich ehrgeizig, und sie strebt danach, alte Sitten aus einer Zeit aufleben zu lassen, da noch die Göttin durch ihre Hohepriesterin herrschte, wie es Brauch war, ehe lorweth übers Meer kam. Es gibt eine Menge ehrgeiziger Bestrebungen an meinem Hof, was im Bereich des Throns eines alternden Königs nicht weiter ungewöhnlich ist, allerdings reichen die ihren weiter als alle anderen.«
    Paul nickte. »Euer Sohn hat gestern Abend Ähnliches angedeutet.«
    »Wie? Diarmuid?« Ailell lachte auf eine Art, die tatsächlich an den Prinzen erinnerte. »Es erstaunt mich, dass er lange genug nüchtern war, um so klar zu denken.«
    Um Pauls Mund zuckte es. »Genau genommen war er nicht nüchtern, aber er scheint seine Gedanken jedenfalls recht klar zu formulieren.«
    Der König machte eine abwehrende Geste. »Er kann manchmal recht liebenswert sein.« Nach einer Weile zupfte er an seinem Bart und fragte: »Entschuldigt, wovon sprachen wir gerade?«
    »Von Jaelle«, half ihm Paul, sich zu erinnern. »Darüber, was sie heute früh gesagt hat.«
    »Ja, ja, natürlich. Einst hätte der Wahrheit entsprochen, was sie behauptete, aber die Zeiten sind längst vorbei. In jenen Tagen, da man an die ungezügelte Magie nur unter der Erdoberfläche herankam, und im allgemeinen auch nur mit Blut, zog man die Kräfte, die für einen Übergang benötigt wurden, direkt aus dem Erdboden, und das fiel schon immer in die Zuständigkeit der Mutter. So traf es damals durchaus zu, dass man solchermaßen Ausbeutung der Erdwurzel, Avarlith genannt, nur auf Fürbitten der Hohepriesterin bei der Göttin wagen durfte. Heute jedoch wird längst, und zwar seit Amairgen von der Himmelslehre erfuhr und er den Rat der Magier gründete, alle Zauberkunst ausschließlich aus der Quelle

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