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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Anwesenheit registrierte und Ailells gutheißendes Nicken, ehe sie sich des alles verhüllenden Kleidungsstücks mit einer eleganten Bewegung entledigte und sich tief vor dem König verbeugte.
    »Grüße überbringe ich, Großkönig, und ein Geschenk zur Erinnerung an Euren Krönungstag. Und ich habe eine Nachricht aus Daniloth, die für Euch von Wichtigkeit ist. Ich bin Brendel vom Falkensiegel.«
    Auf diese Weise bekam Paul zum ersten Mal einen der Lios Alfar zu Gesicht. Und vor der ätherischen und zugleich flammenden Ausstrahlung der silberhaarigen Gestalt, der er jetzt gegenüberstand, fühlte er sich plump und ungeschickt, während sich ihm eine höhere Dimension der Anmut auftat.
    »Seid willkommen, Na-Brendel vom Falken«, murmelte Ailell. »Dies ist Paul Schafer, den wir in Fionavar Pwyll nennen würden. Er ist einer der vier, die mit Silbermantel aus einer anderen Welt kamen, um an der Gestaltung unserer Feier teilzuhaben.«
    »Das ist mir bekannt«, entgegnete Brendel. »Ich halte mich bereits seit zwei Tagen in Paras Derval auf und warte nur darauf, Euch allein anzutreffen. Ihn habe ich gesehen und die anderen, auch die Goldene. Sie allein hat das Warten erträglich gemacht, Großkönig. Andernfalls hätte ich mich wohl längst aus Euren Mauern davongemacht, und das Geschenk, das ich überbringe, hätte Euch nie erreicht.« Das Feuer eines Lachens tanzte in seinen Augen, die im Kerzenlicht grüngolden wirkten.
    »Dann danke ich Euch, dass Ihr gewartet habt«, sagte Ailell. »Und nun erzählt mir: Wie geht es Ra-Lathen?«
    Aus Brendels Gesicht wich plötzlich jegliche Regung, und das Lachen erlosch. »Ah!« rief er leise aus. »Ihr bringt mich schnell zu meiner Nachricht, Großkönig. Lathen Nebelwirker hat im Herbst sein Lied vernommen. Er ist übers Meer von uns gegangen, und mit ihm schied Laien Speerkind, der letzte derer, die den Bael Rangat überlebten. Nun ist keiner mehr übrig von den wenigen, die uns geblieben waren.« Die Augen des Lios Alfar halten sich verdunkelt: Nun wirkten sie purpurn in den Schatten. Er hielt einen Moment inne, dann fuhr er fort. »In Daniloth herrscht Tenniel. Es ist sein Gruß, den ich Euch überbringe.«
    »Ist nun tatsächlich auch Lathen gegangen?« wollte der König sich sehr leise vergewissern. »Und ebenso Laien? Ihr bringt betrübliche Nachrichten, Na-Brendel.«
    »Und es folgen noch betrüblichere«, erwiderte der Lios. »Im Winter erreichten Daniloth Gerüchte von Streifzügen der Svart Alfar im Norden. Ra-Tenniel ließ Wachtposten aufstellen, und letzten Monat erfuhren wir, dass die Gerüchte auf Wahrheit beruhten. Eine Horde Svarts zog an uns vorbei nach Süden, den Ausläufern von Pendaran, und es waren Wölfe bei ihnen. Dort traten wir ihnen entgegen, Großkönig. Zum ersten Mal seit dem Bael Rangat zogen die Lios Alfar in den Krieg. Wir warfen sie zurück, und die meisten von ihnen wurden getötet – denn zumindest teilweise sind wir noch das, was wir einmal waren –, aber sechs meiner Brüder und Schwestern fielen. Sechs von denen, die wir liebten, werden nun niemals ihr Lied vernehmen. Wieder hat der Tod uns heimgesucht.«
    Während der Lios Alfar sprach, war Ailell in seinem Sessel zusammengesunken. »Svarts außerhalb von Pendaran«, stöhnte er nun, wie zu sich selbst. »O Mörnir, welche meiner Verfehlungen war so groß, dass dies im Alter über mich kommen muss?« Und er wirkte in diesem Moment tatsächlich gealtert, als er den schwankenden Kopf hin und her bewegte. Seine Hände auf den geschnitzten Lehnen des Sessels zitterten. Paul und die lichte Gestalt des Lios tauschten einen Blick aus. Aber obwohl sein eigenes Herz vor Mitleid mit dem König wehtat, konnte er in den nun grauen Augen ihres Besuchers keinerlei Anzeichen einer ähnlichen Regung entdecken.
    »Ich habe ein Geschenk für Euch, Großkönig«, sagte Brendel schließlich. »Ra-Tenniel lässt Euch wissen, dass er anders denkt als der Nebelwirker. Meine Schilderung der Kämpfe sollte Euch das erkennen lassen. Er wird sich nicht in Daniloth verbergen, und Ihr werdet uns von nun an häufiger zu Gesicht bekommen als nur jedes siebte Jahr. Als Zeichen dessen und als Bekräftigung des Bundes – wie der ineinander verwobenen Fäden unserer Schicksale schickt der Fürst der Lios Alfar Euch dies.«
    Noch nie in seinem Leben hatte Paul etwas so Wunderschönes gesehen wie den Gegenstand, den Brendel jetzt Ailell überreichte. In dem schlanken kristallenen Zepter, das die Lios hiermit den

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