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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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des Magiers geschöpft und das Avarlith nicht mehr angetastet.«
    »Ich verstehe nicht ganz. Was für eine Kraftquelle?«
    »Ich gehe zu schnell voran. Es fällt schwer, sich ständig zu erinnern, dass Ihr aus einer anderen Welt stammt. Also hört mir zu. Wollte ein Magier seine Zauberkraft einsetzen, von jenem Kamin ein Feuer zu entzünden, würde das den Einsatz von Energie erfordern. Ehedem unterstand all unsere Magie der Göttin, und die benötigte Energie wurde direkt der Erdwurzel abgezapft; und da sie sowohl in Fionavar entnommen als auch verbraucht wurde, fand sie den Weg in den Boden zurück – es trat kein Schwund ein. Aber bei einem Übergang wird die Energie in einer anderen Welt verbraucht –«
    »Und geht darum verloren!« »Genau. Jedenfalls war es früher so. Aber seit Amairgen die Magier von der Mutter unabhängig gemacht hat, stammt diese Energie ausschließlich aus der Quelle, der sie nach und nach aus sich selbst heraus erneuert.« »Der?« »Die Quelle kann ein Mann oder eine Frau sein.« »Aber … soll das heißen, jeder Magier hat seine eigene …?« »Ja, selbstverständlich. Jeder von ihnen ist an eine Quelle gebunden, wie es bei Loren und Matt oder bei Metran und Denbarra der Fall ist. Das ist das grundlegende Gesetz der Himmelslehre. Ein Magier kann nur das leisten, wozu ihm seine Quelle die Kraft verleiht, und eine solche Bindung gilt für das ganze Leben. Was ein Magier auch tut, immer zahlt ein anderer dafür den Preis.«
    Nun wurde ihm vieles klar. Paul entsann sich, dass Matt Sören gezittert hatte, als der Übergang vollzogen war. Er erinnerte sich an Lorens tiefe Besorgnis um den Zwerg, und mit noch größerer Klarheit gedachte er der trübe flackernden Fackeln in jenem ersten Zimmer, die der gebrechliche Metran so leicht mit einer Geste zum Aufleuchten gebracht, während Loren davon abgesehen hatte, um seiner Quelle Erholung zu gönnen. Paul wurde bewusst, dass seine Gedanken sich immer mehr von der bloßen Beschäftigung mit sich selbst entfernten, noch ungeschickt, wie eine Muskelpartie, die man lange nicht mehr benutzt hat.
    »Wie?« fragte er. »Wie sind sie aneinander gebunden?« »Magier und Quelle? Es gibt eine große Zahl von Bestimmungen, und sie müssen eine langwierige Ausbildung durchlaufen. Wenn nach alledem immer noch Bereitschaft besteht, können sie sich durch das Ritual binden, obwohl das keine Entscheidung ist, die leichtfertig getroffen werden darf. Es gibt in Fionavar nur noch drei solche Paare. Denbarra ist der Sohn von Metrans Schwester, Teyrnons Quelle ist Barak, von Kindesbeinen an sein engster Freund. Einige Paarungen waren höchst seltsam: Lisen vom Walde war die Quelle von Amairgen Weißast, dem ersten Magier.«
    »Warum war das seltsam?«
    »Ah«, lächelte der Großkönig, ein wenig wehmütig, »das ist eine lange Geschichte. Vielleicht bekommt Ihr sie ja noch teilweise im Thronsaal zu hören.«
    »Gut. Aber was ist mit Loren und Matt? Wie sind sie …?« »Auch das ist merkwürdig«, erwiderte Ailell. »Als er seine Ausbildung beendet hatte, suchte Loren beim Rat und bei mir um Erlaubnis nach, einige Zeit reisen zu dürfen. Er blieb drei Jahre lang fort. Als er zurückkehrte, war er im Besitz seines Mantels, und er war mit dem König der Zwerge verbunden, etwas, das es noch nie gegeben hatte. Kein Zwerg hat je …«
    Unvermittelt unterbrach sich der König. Und in der plötzlichen Stille hörten sie es wieder: ein kaum wahrnehmbares Klopfen an der Wand gegenüber dem offenen Fenster. Während Paul den König noch verwundert ansah, wiederholte es sich.
    Ailells Gesicht hatte einen eigentümlich weichen Ausdruck angenommen. »O Mörnir«, seufzte er. »Sie haben wirklich jemanden entsandt.« Er warf Paul einen Blick zu, zögerte, dann schien er zu einem Entschluss zu kommen. »Bleibe bei mir, junger Paul, Pwyll, wie wir hier sagen würden, bleib und schweige, denn du wirst etwas miterleben, das nur wenigen vergönnt gewesen ist.«
    Dann trat der König an die Wand und drückte die Handfläche an einer Stelle dagegen, wo der Stein etwas dunkler war. »Levar shanna«, murmelte er und ging ein paar Schritte zurück, als in der glatten Struktur der Wand die Umrisse einer Tür Gestalt anzunehmen begannen. Einen Augenblick darauf war der Spalt deutlich zu erkennen, dann glitt die Tür geräuschlos auf, und eine schmale Gestalt betrat leichtfüßig den Raum. Sie war unter Umhang und Kapuze verborgen und verharrte so auch einen Moment, während sie Pauls

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