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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Bürde wird tragen können. Sie ist noch jung.«
    »Jetzt nicht mehr«, flüsterte Ysanne. Es fiel ihr schwer, zu sprechen.
    »Vielleicht nicht. Aber das ist nicht meine Sorge. Ich habe mich dir zuliebe gedreht, Träumerin. Erlöse mich von dem Feuer.« Er war ihr sehr nahe gekommen, und seine Augen wie Eiskristalle strahlten in unmenschlichem Glanz.
    Die Seherin nickte. »Ich habe es versprochen. Die Zeit dafür ist längst reif. Weißt du, warum ich dich brauchte?« In ihrer Stimme lag ein flehender Ton.
    »Ich kenne kein Verzeihen.« »Aber du weißt, warum?«
    Wieder ein langes Schweigen. Dann sagte Eilathen: »Ja«, und wer darauf horchte, mochte aus seinem Tonfall Milde heraushören. »Ich weiß, warum du mich gebannt hast.«
    Wieder weinte Ysanne, und die Tränen glitzerten auf ihrem zerfurchten Gesicht. Doch ihr Rücken war ungebeugt, sie hielt den Kopf hoch, und der Befehl ertönte klar und deutlich, als sie ihn aussprach. »Dann gehe dahin, frei von mir, frei von deiner Bindung. Sei des Blumenfeuers frei, jetzt und immerdar. Laith derendel, sed bitnnion. «
    Und auf ihr letztes Wort hin brach ein Laut aus Eilathen hervor, ein hoher, spitzer Ton äußerster Freude und Erleichterung, kaum noch hörbar, und der Ring mit dem roten Stein glitt ihm vom Finger und fiel zu Füßen der Seherin auf den Fels.
    Sie kniete nieder, um ihn aufzunehmen, und als sie sich wieder erhob, sah sie, immer noch durch einen Tränenschleier, dass er bereits wieder hinaus auf den See gewirbelt war.
    »Eilathen!« rief sie. »Verzeih mir, wenn du kannst. Lebewohl!«
    Als Antwort darauf wurde seine Drehbewegung nur noch schneller, irgendwie wilder als zuvor, ungezähmt, wirr, und dann erreichte Eilathen die Mitte des Sees und tauchte hinab.
    Aber für den, der darauf lauschte – der sich wünschte, ja darum betete, es zu vernehmen – mochte es so klingen, als hätte als letzten Gruß eine kalte, auf immer freie Stimme ihren Namen gerufen, ehe er verschwand.
    Sie sank auf die Knie, nahm Kim in die Arme und wiegte sie in ihrem Schoß, wie man ein Kind wiegt.
    Als sie so, die junge Frau in den Armen, mit beinahe blinden Augen auf den leeren See hinausblickte, nahm sie die dunkelhaarige Gestalt mit dem dunklen Bart nicht wahr, die sich hinter ihnen aus der Deckung eines schützenden Felsens erhob. Diese beobachtete sie lange genug, um zu sehen, wie sie den Ring nahm, den Eilathen bewacht hatte, und ihn Kimberly behutsam an den Ringfinger der rechten Hand steckte, wo er so vollkommen passte, wie es dem Traum der Seherin entsprach.
    Als er dies gesehen hatte, wandte sich der heimliche Beobachter, immer noch unerkannt, ab und entfernte sich von ihnen, und in seinem Gang war nicht die Spur eines Hinkens zu erkennen.
    *
    In jenem Frühjahr war sie siebzehn Jahre alt geworden, noch nicht gewohnt, dass Männer ihre Schönheit priesen. Als Kind war sie hübsch gewesen, aber im Jugendalter erwies sie sich als langgliedrig und ungelenk, häufig von abgeschürften Knien und blauen Flecken gezeichnet, die von wilden Spielen in den Gärten Larai Rigals herrührten – Aktivitäten, die einer Prinzessin des Reiches für unwürdig erachtet wurden. Insbesondere, seit Marien auf der Jagd gestorben war und sie mit einer Zeremonie, derer sie sich in ihrer Verwirrung über dieses eilige Verfahren und über den Tod ihres Bruders kaum noch entsinnen konnte, zur Erbin des Elfenbeinthrons erklärt wurde. Das Knie hatte ihr weh getan, noch von einem Sturz am Tag zuvor, und das Gesicht ihres Vaters hatte ihr angst gemacht. Danach gab es keine Stürze mehr, denn die Spiele in den Gärten und am See des Sommerpalastes hatten ein Ende. Sie lernte, sich den Gepflogenheiten eines dekadenten Hofes anzupassen, und mit der Zeit auch, nicht unhöflich mit den nun in großer Zahl erscheinenden Brautwerbern umzugehen, und sie wuchs tatsächlich zu einer Schönheit heran, die Dunkle Rose von Cathal, und ihr Name war Sharra, Tochter des Shalhassan.
    Geblieben war ihr Stolz, der allen ihres Blutes eigen war, und ihr starker Wille, eine ungewöhnliche Eigenschaft im liederlichen Cathal, aber doch nicht unerwartet bei der Tochter eines solchen Vaters. Auch flackerte insgeheim in ihr noch ein letzter Funke der Auflehnung gegen die Anforderungen ihres Ranges und die Etikette, die nun ihre Tage und Nächte bestimmten.
    Selbst jetzt glühte dieser Funke noch, in ihrem geliebten Larai Rigal, wo der Duft von Calath und Myrrhe, von Elphinel und Erle sie mit Erinnerungen umhüllte.

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