Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
Vom Netzwerk:
alles bedeutet?« Er richtete das Wort an seine Quelle. »Sage mir, mein Freund, weißt du, was es mit diesem Kessel auf sich hat?«
    Denbarra wand sich unbehaglich unter dem Gewicht dieses Blicks. »Ich verstehe, was für mich nötig ist zu wissen«, entgegnete er tapfer. »Ich verstehe, dass mit seiner Hilfe das Haus Garantae aufs Neue in Brennin herrschen wird.«
    Galadan betrachtete ihn noch einen Moment lang, dann ließ sein Blick von ihm ab. »Er hat sein Schicksal verdient«, sagte er zu Metran. »Eine Quelle, deren Geisteskräfte beschränkt sind, ist ein Vorteil für dich, nehme ich an. Ich für mein Teil würde mich mit der Zeit schrecklich langweilen.«
    Denbarra errötete, doch Metran blieb diesmal von seinem Spott unbeeindruckt. »Meiner Schwester Sohn ist loyal. Das ist eine Tugend«, nahm er ihn in Schutz, ohne sich der Ironie des Gesagten bewusst zu sein. »Wie steht es mit dir? Du hast eine Aufgabe erwähnt, die noch zu erfüllen sei. Sollte ich davon wissen?«
    »Du solltest, aber offenbar tust du es nicht. Glücklicherweise bin ich weniger achtlos. Es ist eine Hinrichtung zu vollziehen.«
    Metrans Mund zuckte angesichts dieser Beleidigung, aber er entgegnete nichts darauf. »Dann geh deiner Wege«, sprach er. »Wahrscheinlich werden wir uns einige Zeit nicht zu sehen bekommen.«
    »Wie schade!« bemerkte Galadan.
    Der Magier hob die Hand. »Du verspottest mich«, hielt er ihm betont vor. »Du verspottest uns alle, Andain. Doch ich sage dir eines: Habe ich erst den Kessel von Khath Meigol in Händen, werde ich eine Macht ausüben, die nicht einmal du zu verlachen wagst. Und ich werde damit hier in Brennin so entsetzlich Rache nehmen, dass die Erinnerung daran niemals sterben wird.«
    Galadan hob den narbenbedeckten Kopf und fasste den Magier ins Auge. »Kann sein«, gab er schließlich leise, ganz leise zu. »Es sei denn, die Erinnerung daran stirbt doch, weil alles andere ebenfalls gestorben ist. Was, wie du weißt, mein Herzenswunsch ist.«
    Bei diesen Worten machte er eine kaum wahrnehmbare Geste über seinem Brustkorb, und im nächsten Augenblick eilte ein kohlschwarzer Wolf mit einem silbernen Flecken auf dem Kopf nach Westen und verschwand von der Lichtung.
     
    Hätte er den Wald weiter südlich betreten, hätte sich ein Großteil dessen, was nun erfolgte, vielleicht ganz anders zugetragen.
    Am südlichen Rand der Holzfällerlichtung lag eine Gestalt, versteckt zwischen den Bäumen, und blutete aus einem Dutzend Wunden. Hinter ihm auf dem Pfad durch den Wald lagen die letzten zwei Lios Alfar tot da. Und zehn Wölfe.
    Und im Herzen Na-Brendels vom Falkensiegel herrschten so große Trauer und auch Wut, dass sie ihn, mehr als alle anderen Umstände, bisher am Leben erhalten hatten. Im Sonnenlicht leuchteten seine Augen schwarz wie die Nacht.
    Er beobachtete, wie Metran und seine Quelle Pferde bestiegen und gen Nordwesten davonritten, und er sah die Svarts und die Wölfe zusammen nach Norden aufbrechen. Erst als es auf der Lichtung völlig still geworden war, erhob er sich mühevoll und nahm den eigenen Rückweg nach Paras Derval in Angriff. Er hinkte stark, schuld war eine Wunde in seinem Schenkel, und er war durch den Blutverlust tödlich geschwächt; aber er ließ nicht zu, dass er fiel und versagte, denn er gehörte zum Volk der Lios Alfar, und er war der letzte seiner Schar und hatte an jenem Tag mit eigenen Augen gesehen, wie die Finsternis sich zusammenbraute.
     
    Im Laufe des Tages erklang von Westen her immer wieder das Rumpeln von Donnerschlägen. Einige der Händler in der Stadt traten vor ihre Türen, um einen Blick gen Himmel zu werfen, mehr aus alter Gewohnheit denn aus Hoffnung. Die tödliche Sonne brannte vom wolkenlosen Firmament herab.
    Auf dem Anger am Ende der Schmiedegasse hatte Leila erneut die Kinder zum Ta-Kiena-Spiel versammelt. Eines oder zwei weigerten sich, da sie sich langweilten, doch sie blieb hartnäckig, und die anderen beugten sich ihrem Wunsch, was bei Leila grundsätzlich das Beste war.
    So wurden ihr aufs Neue die Augen verbunden, und sie veranlasste die anderen, zwei Binden zu nehmen, damit sie auch ganz bestimmt nichts sehen konnte. Dann begann sie mit den Aufrufen und nannte die ersten drei beinahe ohne Gefühlsregung, denn auf sie kam es nicht an, sie waren nur Spiel. Als sie jedoch zum letzten kam, dem mit dem Längsten Weg, spürte sie, wie die inzwischen vertraute Stille wieder über sie kam, und sie schloss hinter den zwei Binden obendrein die Augen.

Weitere Kostenlose Bücher