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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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eine vielfarbige Flamme, ihr Wesen lebendiges Zeugnis der Kräfte des Webers, dessen prächtigste Kinder sie waren. Die Verherrlichung des Lebens war ihrem innersten Sein verwoben, und sie waren in der ältesten aller Sprachen nach dem Licht benannt, das sich vom Dunkel abhebt.
    Doch sie waren nicht unsterblich. Die beiden Wachtposten starben durch vergiftete Pfeile, und vier weiteren wurde im schattengleichen Ansturm der Wölfe die Kehle zerrissen, noch ehe sie ganz erwacht waren. Nur einer schrie auf und tötete im Sterben seinen Wolf mit einem Dolch.
    Dann wehrten sie sich tapfer, ja geschickt, mit blitzenden Schwertern und Pfeilen, denn ihre Anmut konnte aufs äußerste tödlich sein, so sich die Notwendigkeit ergab.
    Brendel und Drance umringten zusammen mit zwei anderen schützend die beiden Frauen und hielten einmal, noch einmal und ein weiteres Mal dem Angriff der riesigen Wölfe stand, mit Schwertern, die sich in verzweifeltem Schweigen hoben und senkten. Doch es war dunkel, und die Wölfe waren schwarz, und die Svarts huschten wie verzerrte Geistererscheinungen auf der Lichtung umher.
    Immerhin hätte der Heldenmut der Lios Alfar, in deren Reihen Drance von Brennin kämpfte wie ein Besessener, letztlich den Sieg davongetragen, wäre da nicht noch etwas hinzugekommen: der eiserne, lenkende Wille, der den Angriff steuerte. In jener Nacht trat auf der Lichtung eine Macht in Erscheinung, wie niemand sie hätte voraussagen können, und im Wind, der dem Morgengrauen vorauseilte, stand Verderben geschrieben.
    Jennifer kam es vor wie ein entsetzlicher Traum in der Finsternis. Sie hörte das Knurren und die Schreie, konnte hin und wieder, wenn auch verschwommen und verzerrt, etwas erkennen – blutgetränkte Schwerter, den Schatten eines Wolfes, einen vorüberfliegenden Pfeil. Gewalt, die sich rings um sie her entlud, obwohl sie zeit ihres Lebens bemüht gewesen war, derartiges zu vermeiden.
    Doch hier herrschte tiefe Nacht. Zu entsetzt, um auch nur zu schreien, sah Jennifer schließlich Drance zu Fall kommen, einen sterbenden Wolf unter sich begrabend, während ein weiterer sich mit triefendem Maul von seinem Leichnam löste, um an ihr vorbei dorthin zu stürmen, wo Laesha stand. Eben hörte sie Laesha aufschreien, da fühlte sie sich auch schon, noch ehe sie reagieren konnte, von harten Klauen gepackt, als die widerlichen Svarts durch die geschlagene Bresche stießen und sie über den Körper von Diarmuids Gefolgsmann hinweg fortzerrten.
    Als sie sich verzweifelt umblickte, sah sie Brendel mit drei Gegnern zugleich ringen, das Blut auf seinem Gesicht schwarz im matten Licht des Mondes, doch dann befand sie sich auch schon zwischen den Bäumen, umringt von Wölfen und von Svart Alfar, und nirgendwo gab es mehr Licht, in dessen Schein sie etwas hätte erkennen oder auf das sie hätte hoffen können.
    Sie zogen scheinbar endlos lange Zeit durch den Wald, gen Norden und Osten, weg von Paras Derval und von jedermann, den sie in dieser Welt kannte. Zweimal strauchelte sie in der Finsternis und fiel, jedoch jedes Mal zerrte man die Schluchzende wieder hoch, und die grauenvolle Wanderung wurde fortgesetzt. Sie waren immer noch in den Wäldern, als der Himmel sich grau zu verfärben begann, und im Hellerwerden wurde ihr bewusst, dass inmitten der ständig wechselnden Positionen ihrer Überwältiger eine Gestalt nie von ihrer Seite wich: Und unter allen Schrecken dieser stürmischen Nacht war dies der schlimmste.
    Kohlschwarz mit einem Flecken Silbergrau auf der Stirn, handelte es sich um den bei weitem größten aller Wölfe. Doch die Größe war es nicht, auch nicht das frische Blut an seiner dunklen Lefze; es war die Bösartigkeit der Macht, die den Wolf wie eine Aura umgab. Seine Augen waren auf ihr Gesicht gerichtet, und sie waren rot; in ihnen erkannte sie, während jenes kurzen Moments, da sie dem Blick standhalten konnte, Intelligenz in einem Ausmaß, wie sie nicht dorthin gehörte, und fremdartiger als alles, was ihr in Fionavar bisher begegnet war. Es lag kein Hass in diesem Blick, nur ein eiserner, gnadenloser Wille. Hass hätte sie verstanden; was sie sah, war schlimmer.
    Es war schon Morgen, als sie ihr Ziel erreichten. Jennifer entdeckte die kleine Hütte eines Holzfällers auf einer gerodeten Fläche am Waldesrand. Unmittelbar darauf entdeckte sie außerdem, was von dem Holzfäller selbst übrig war.
    Sie stießen sie in die Hütte. Jennifer fiel unter der Wucht des Stoßes zu Boden und kroch dann auf Knien

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