Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
stellte dabei nur fest, daß er mir weh tat. Dann fing er an, zu schwitzen. Sein Schweiß juckte und brannte auf meiner Haut. Endlich kam er zum Ziel, wurde schlaff und noch schwerer, und ich schob ihn mit aller Kraft weg, sprang auf und lief ins Badezimmer, wo ich mich duschte und manchmal sogar das Haar wusch.
    »Meine liebe Julie, du wirst allmählich hysterisch! Jeder gesunde Mensch schwitzt. Schwitzen entschlackt den Körper!«
    Ich konnte mich beeilen, wie ich wollte, es war immer zu spät: Auf Hals und Brust hatte Brunos Schweiß ekzemartige rote Flecke hinterlassen, ein Ausschlag, der in Sekundenschnelle auftrat, einige Stunden anhielt und dann wieder verschwand. Ich war – im wahrsten Sinne des Wortes – allergisch gegen ihn.
    38
    Ich lag ganz still. Das Bett war der einzige Ort, wo ich mich wohl fühlte. Aber das Bett bedeutete auch Dunkelheit, und in der Dunkelheit lauerten Gespenster. Sie zogen mich von Schrecken zu Schrecken. Es gab keine Hilfe in diesem Zimmer, nicht in diesem Bett, keine Hilfe in Pauls Händen, weder in seinen Armen noch in seinen Küssen. Das Ding da, das finstere Ding tief in mir, war immer noch da und würde nie verschwinden.
    Morgens, nach der Dusche, lief ich zuerst ins Wohnzimmer, riß sämtliche Fenster auf. Bruno saß abends stundenlang vor dem Fernseher und rauchte.
    Obwohl ich vor dem Zubettgehen schnell die Aschenbecher leerte, setzte sich der Geruch nach kalter Asche in den Vorhängen fest. Auf nüchternen Magen wurde mir fast schlecht davon. Ich machte die Kaffeemaschine an, deckte den Frühstückstisch. Bevor Butter auf den Tisch kam, mußte die Anschnittflache glattgestrichen sein, weil Bruno es so gewohnt war. Wegen solcher Kleinigkeiten konnte er den größten Krach schlagen.
    Inzwischen hörte ich seine schweren Schritte im Zimmer nebenan. Bald kam er, frisch rasiert, in Hemdsärmeln und Krawatte. Er schlürfte seinen Kaffee, zündete sich die erste Zigarette an und blies mir den Rauch ins Gesicht. Ich war im Bademantel, eine Angewohnheit, die Bruno meine »verdammte französische Nachlässigkeit« nannte. Er hätte mich am liebsten fertig angezogen, mit Lippenstift und Perlenkette am Frühstückstisch angetroffen.
    »Also! Mach’s gut.« Früher hatte er noch »mein Häschen« hinzugefügt, aber das war längst vorbei. Er drückte mir einen zerstreuten Kuß auf die Wange und ging. Ich hörte seine Schritte im Treppenhaus, dann das Geräusch des anspringenden Wagens. Mittags kam er nach Hause, das Essen mußte pünktlich auf dem Tisch stehen. Und abends auch, immer eine komplette Mahlzeit.
    »Ich bin ein kräftiger Mann, Julie. Ich habe einen gesunden Appetit. Wenn ich aus dem Geschäft komme, will ich etwas Warmes essen. Du hast doch den ganzen Tag nichts zu tun, da kannst du mir wenigstens etwas kochen.«
    Und jetzt liegt er oben mit einer anderen Frau im Bett. Ich bin ihn los. Gott sei Dank. Aber was nun? Was soll nur aus mir werden? Ich bin so schrecklich allein.
    Ich sehne mich nach dir. Wer bist du? Warum hast du mich nicht gefunden, damals? Du warst so nahe, daß ich dich spüren konnte. Jetzt bist du weit weg. Ich kenne dich nicht, ich sehe dich nicht, aber manchmal spüre ich deine Hand auf meinen Augen.
    Ich stehe an dem Übergang zwischen zwei Welten. Wann kann ich zu dir kommen? Wie viele Tage noch, bis ich sterbe?
    Laß mir deine Hand, nimm sie nicht weg. Wie wohl du mir tust! Welch eine Ruhe mit einemmal. Welch eine Süße. Mach, daß ich mich nicht entsinne. Daß ich nur die Tage sehe, die vorher waren, bevor ich starb. Mon Amie la Rose…
    Denk nicht daran. Niemals.
    Umarme mich, ich bitte dich darum. Ich möchte jetzt schlafen…
    39
    Vor Sonnenaufgang hörte ich die Schwarzdrosseln singen. Zerschlagen setzte ich mich hoch; meine Füße berührten den Teppich.
    Ich taumelte ans Fenster, schob den Vorhang auf. Hinter den Walliser Alpen brach silbern das Licht hervor. Der See war schiefergrau, eine spiegelblanke, unbewegliche Fläche. Die Berge schlossen sich, gefärbt wie dunkler Bernstein, um ihn. Eine Weile sah ich zu, wie das Silber allmählich verblaßte und der See malvenblau schimmerte. Im weißen Frotteemantel ging ich in die Küche, knipste die Kaffeemaschine an. Ich schob eine Scheibe Brot in den Toaster, knabberte sie im Stehen, langsam, ohne Butter, und trank meinen Kaffee dazu. Mit der Tasse trat ich ans offene Fenster, atmete tief die Morgenluft ein. Der Himmel glühte wie Kupfer, die Helligkeit nahm zu, überflutete bald den ganzen

Weitere Kostenlose Bücher