Silberne Sterne über Montana
ihren Hut auf, band ihn dann mit einem dicken Wollschal fest, knöpfte den großen Kragen ihrer Jacke zu und schlug ihn hoch. "Ich bin mir sicher. Wirst du mit den Pferden nachkommen?"
Cody zog sich den Hut in die Stirn und sah Tana an, die Augenbrauen zusammengezogen. "Ich werde direkt hinter dir sein. Sei vorsichtig."
Tana richtete sich hoch auf und lächelte. "Nett von dir, dass du dich um mich sorgst."
"Ist nicht so persönlich gemeint", sagte er schroff und wandte sich ab.
Sobald Tana die schützenden Pinien verlassen hatte, spürte sie, wie kalt es geworden war. Ein steter Wind blies, der aber auszuhalten und eine Brise war im Vergleich zu dem, was sie noch erwartete. Nur gut, dass wir früh aufgebrochen sind, dachte sie, als sie sich mühsam einen Weg durch den immer tiefer werdenden Schnee zu den Rindern bahnte. Mit etwas Glück würden sie mit der Herde zur Mittagszeit in der schützenden Scheune sein.
Sie hatte etwas Angst, als sich die Rinder bei ihrem Näherkommen in Bewegung setzten. Einige brüllten, weil ein anderes Wesen bei ihnen einzudringen wagte. Vorsichtig, die Hände ausgestreckt, um notfalls die Tiere beiseite schieben zu können, bahnte sich Tana den Weg zu Pillar, der wie ein König inmitten der Herde stand. Er hob den mächtigen Kopf, um dann den Eindringling herausfordernd anzubrüllen. Sofort redete Tana auf ihn ein, hielt ihm wie damals, als er noch ein Kalb gewesen war, mit der behandschuhten Hand ein Stück Würfelzucker hin, in der Hoffnung, dass er sich an früher erinnerte. Einen Moment lang, in dem ihr fast das Herz stehen blieb, zögerte er, um dann von ihrer Hand das Zuckerstück zu schlecken. Als sie ihm den Strick überstreifte, bewegte er sich kaum, als würde er wissen, dass - wie sonst auch - sein Entgegenkommen unweigerlich belohnt würde: mit einem warmen Stall und Futter.
Tana bückte über die Schulter und sah, wie Cody Mac und Clancey vorsichtig zwischen den Rindern hindurchführte.
"Ich würde es nicht glauben, hätte ich es nicht selbst gesehen", sagte er und neigte sich im Sattel zur Seite, um Tana Clanceys Zügel zu reichen. "Jeder andere herumstreifende Bulle würde einen Menschen, sobald er ihn gesichtet hätte, auf die Hörner nehmen."
Tana rang sich ein Lächeln ab und klopfte sich dann angelegentlich den Schnee von den Jeans, so dass Cody ihren angespannten Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Als sie schließlich wieder aufsaß, zitterten ihr - vor unerträglicher Spannung - im Nachhinein noch die Knie. Bis zu dem Augenblick, in dem sie Pillar den Strick über den mächtigen Nacken gestreift hatte, war sie sich nicht sicher gewesen, ob der Bulle stillhalten würde.
"Ich hab's doch gesagt", sie lachte Cody gespielt lässig an,
"Pillar ist im Grunde immer noch ein Baby." Dann wandte sie sich um, seufzte erleichtert auf, zog leicht an Pillars Strick und ritt aufs Ende der Hochebene zu. Der alte Bulle folgte ihr gehorsam, und mit ihm zogen in ungeordnetem Haufen die Rinder. Cody bildete die Nachhut, fassungslos darüber, was er gerade gesehen hatte.
Während der ersten Stunde ihres langen Ritts talwärts wurde Tana von dem Ausdruck der Bewunderung beflügelt, den sie in Codys Blick und Stimme bemerkt hatte. Weder von ihrem Vater noch von Zach kannte sie so etwas, ganz abgesehen davon, hätte keiner von beiden sie als Erste mitten in einer Herde reiten lassen. Frauen machten so etwas nicht. Es war einfach -
unpassend, und zwar nicht, weil Tana nicht dazu in der Lage war, nein, so etwas war nun einmal reine Männersache. Frauen hatten andere Aufgaben zu erledigen.
"Es ist eine schweißtreibende, schmutzige und anstrengende Arbeit", hatte Zach ihr gesagt, als sie ihm einmal im Frühling beim Brandmarken von Kälbern hatte helfen wollen. "Reine Männersache, dein Job ist es, Frau zu sein, und zwar nur das."
Anfangs hatte sie gedacht, er habe sie schützen wollen, im Lauf der Zeit war ihr jedoch klar geworden, dass er es aus Selbstschutz getan hatte, vor einer Tana nämlich, der möglicherweise hätte bewusst werden können, dass sie zu weitaus mehr fähig war, als sie angenommen hatte.
Heute jedoch hatte ein Mann sie animiert, das zu tun, wozu sie in der Lage zu sein behauptet hatte, und die Erfahrung war berauschend gewesen.
"Er ist wirklich ein bemerkenswerter Mann", sagte sie zu Clancey, während das zuverlässige Pferd vorsichtig einen verschneiten Abhang hinunterging. Sie lehnte sich im Sattel zurück und lächelte unvermittelt. "Und er küsst auch
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