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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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offenbar zu unterscheiden wußte. Ich bat um eine Unterredung mit Titus, wurde auch tatsächlich eingelassen und über mehrere Stationen immer weiter nach oben gereicht, bis ich schließlich vor einem hochgewachsenen Sekretär stand, der so aussah, als würde er mit keiner seiner schönen, langen Wimpern zucken, wenn ihn seine Schwiegermutter dabei ertappte, wie er es hinter ihrem Haus mit dem Metzger trieb. Er hörte mich an und pflanzte mich auf einen Schemel, so daß ich meine Toga ordentlich um meinen Schoß raffen konnte, während er in ein inneres Kabinett entschwand.
    Titus kam heraus.
    Eine großartige Erscheinung. Er hatte seine Uniform als Oberbefehlshaber des Heeres in Judäa angelegt, und dazu eine entsprechend selbstbewußte Miene. Er trug einen verzierten Brustpanzer von heldischen Proportionen, einen wehenden Mantel in sattem Purpur und eine Tunika, die an allen Säumen mit regelmäßig gemusterter Palmblattborte besetzt war. Was ihm an Körpergröße fehlte, machte er durch seine muskulöse Statur wett. Er war bereit, in den Isis-Tempel hinüberzugehen, wo er zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder die Nacht betend verbringen würde, bevor sie morgen als siegreiche römische Generäle zusammen mit ihren Gefangenen und Beutestücken in die Stadt einzogen.
    Jetzt kamen mir Zweifel. Mein Klient sah aus, als wolle er für eine der Statuen Modell sitzen, die seinen Ruhm für Tausende von Jahren vergolden würden. Ich glaubte nicht an die Macht des Zeremoniells, aber ich wußte, daß ich den falschen Tag erwischt hatte.
    Ich erhob mich. Ich überreichte Titus Sosias Schreibtäfelchen und spürte seinen festen Griff, als er es nahm. Wortlos starrte er auf den Namen Domitian und ließ dann seinen Blick über die anderen gleiten.
    » Danke Falco. Das ist nützlich, aber nichts Neues …« Sein Blick schweifte ab, mit seinen Gedanken war er schon bei den Ehrungen von morgen. Dennoch spürte er schließlich meine nervöse Erregung. »Was ist das – Ihrer Meinung nach?«
    Ich zeigte auf die ausgelöschte, leere Zeile.
    »Die Tochter von Camillus Meto war keine gewandte Schreiberin, Cäsar. Sie schrieb wie ein Schulmädchen und drückte den Griffel zu fest in das Wachs. Ich mußte Ihnen die Liste zeigen, aber wenn Sie einverstanden sind, daß sie dabei zerstört wird« – ich schluckte, denn nur schwer ertrug ich den Verlust von etwas, das mir Sosia Camillina gegeben hatte. »Wenn wir das Wachs vollständig aus dem Rahmen herausschmelzen, könnte sich herausstellen, daß sie auch die Holzunterlage angekratzt hat.«
    Unsere Blicke trafen sich.
    »Sie meinen, der fehlende Name könnte noch lesbar sein?« Titus fällte Entscheidungen mit der Entschlossenheit eines Generals, der er ja auch war. »Wir haben wenig zu verlieren!«
    Er rief den hageren Sekretär wieder herein. Mit hohlem Kreuz und affektierten Gesten hielt dieses Gespenst das Täfelchen schon bald schräg über eine Flamme und ließ das geschmolzene Wachs in eine Silberschale tröpfeln. Schließlich gab er es Titus mit einer schwungvollen Geste zurück.
    Dieser betrachtete die zerkratzte Fläche und gab seinem Sekretär einen Wink, er möge sich entfernen. Einen quälenden Augenblick lang sahen wir einander an, dann sagte Titus ganz ruhig: »Nun, Didius Falco, wie gut sind Sie eigentlich als Ermittler? Wollen Sie mir, bevor ich Ihnen dies hier zeige, sagen, welches Ihrer Meinung nach der fehlende Name ist?«
    Ein Militärtribun mit den schmalen Purpurstreifen des zweiten Ranges tänzelte herein, offenbar, um irgend etwas im Zusammenhang mit dem Triumphzug zu klären: leuchtende Augen, erstklassige Stiefel, ein Panzer mit Einlegearbeit, auf Hochglanz poliert, der ganze Junge gebürstet und geschniegelt von den Zehennägeln bis zu den roten Ohrläppchen. Titus würdigte ihn keines Blickes.
    »Hinaus!« sagte er gebieterisch und beinah höflich, aber der Tribun nahm Reißaus, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Wieder war es still im Raum. Titus und ich … Titus mit dem Täfelchen in der Hand, das ich noch immer nicht gesehen hatte.
    Mein Mund war trocken. Als Ermittler war ich mittelmäßig (einerseits zu träumerisch, andererseits zu vorsichtig bei dubiosen Aufträgen – die bekanntlich das wirkliche Geld bringen); dennoch war ich nicht schlecht. Ich hatte mir geschworen, mich nie wieder mit der etablierten Macht zu verbünden; und doch diente ich der Stadt und dem Reich auf meine Art. An die Göttlichkeit des Kaisers glaubte ich nicht und würde es

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