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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Hand unter dem Rock von der Frau!« Das war Marcia. Was für eine Beobachtungsgabe dieses Kind besaß! Peinlichkeiten dieser Art hatte es schon den ganzen Tag gegeben. Marcias Mutter sagte nichts, sie war gegen Marcias gepiepste Kommentare längst immun.
    »Der will der Frau bestimmt nur an die Tasche«, erklärte ich. Da platzte Maia los: »O Marcus, du bist widerlich!«
    Blendend weiße Stiere, die Hörner mit Blumen geschmückt, wurden jetzt an karminroten Bändern von leichtfüßigen Priestern aus allen heiligen Kollegien vorbeigeführt. Flötenspieler begleiteten sie in einer Wolke von Weihrauch, während Tänzer, wo immer sich Platz dazu bot, ihre Saltos und Räder schlugen. Altardiener schleppten goldene Rauchfässer und Opfergeräte vorbei.
    »Onkel Marcus, sieh mal, der Mann da! Der Mann, der stinkt!«
    Ein Gesicht in der Menge. Oder vielmehr, ein Geruch.
    Ich sah ihn in dem Augenblick, als Marcia das sagte. Er lehnte an einem Pfeiler in der Säulenhalle drüben auf der anderen Straßenseite. Das hagere Gesicht, die fahle Haut, das abstoßende schüttere Haar waren unverkennbar: der Glühweinkellner, den ich bei der Rückkehr von meinem Ausflug nach Britannien in meiner Wohnung vorgefunden hatte. Mir wurde klar, daß Smaractus diesen Mieter für meine leerstehende Wohnung nicht zufällig gefunden hatte. Irgend jemand hatte dieses Stinktier auf mich angesetzt. Er folgte mir noch immer. Ich wand mich aus dem Klammergriff einer Zweijährigen, die auf meinen Schultern hockte, und flüsterte Maia zu, sie solle sich um die Familie kümmern. Ich hätte eine Verabredung mit einem Mann, der mir einen Renntip geben wollte, und müßte mal kurz weg.
    Ich glaube, Maia hat mir das nicht verziehen; ich bin nämlich nie zurückgekehrt.

LVII
    Ich überquerte die Straße unmittelbar vor den ersten Reihen der Gefangenen aus Judäa. Siebenhundert Männer, sorgfältig ausgesucht wegen ihrer imposanten Statur und nur über das Meer geschafft, damit Titus sie in seinem Siegeszug vorführen konnte. Man hatte sie in teure Gewänder gesteckt, um die Schrammen und Wunden zu verdecken, die ihnen ihre Bewacher während der Überfahrt verpaßt hatten; als ich vor ihnen über das Pflaster stolperte, konnte ich ihre Angst riechen. Sie wußten offenbar, daß der Kaiser während der Zeremonien der Siegesfeier sein Opfer auf dem Kapitolshügel erst dann darbrachte, wenn seine Feinde dem Ritus gemäß im Mamertinischen Gefängnis hingerichtet worden waren. Und diese armen Hunde glaubten, ihnen allen, nicht nur dem Anführer ihrer Revolte, stehe die Schlinge bevor.
    In Wirklichkeit sollte an diesem Tag nur ein gewisser Simon, Sohn des Gioras, erdrosselt werden. Die Bewacher der Gefangenen probten anscheinend schon, wie sie ihn am Fuß der Gemonischen Treppe aus den Reihen der anderen hervorzerren und ihm in die Nieren treten würden, und schlugen und traten nach mir, als ich vor ihnen über die Straße flitzte. Der Kellner hatte mich kommen sehen und schlängelte sich jetzt zur Via Sacra hinüber. Bei dem Gedränge konnte er die Umstehenden leicht dazu bewegen, ihm Platz zu machen. Ohne seine persönliche Duftnote als Anhaltspunkt wurde es für mich schwieriger, aber der Zorn auf diesen schmuddeligen Typ gab mir Schwung; gnadenlos wühlte ich mich durch die Menschenmenge.
    Ich folgte ihm die Straße entlang, die unterhalb des sogenannten Oberpalastes durch das Gelände von Neros Goldenem Haus nach Norden führt. Wir kamen an die Via Sacra. An der Ecke des Vestatempels standen die Massen, die die Hälse nach Vespasian und Titus reckten, so dicht gedrängt, daß es für meinen Kellner nur einen Weg gab: auf das Forum, und zwar auf dessen Südseite. Die Kolonnen der Gefangenen überholten uns, die Menge wich zurück, und wir wurden gegen die Mauern der öffentlichen Gebäude gedrückt. Es ging nur noch höchst mühsam voran. Wir schoben uns durch die Menschenmassen, wie sich eine frische Mahlzeit durch den Körper eine Schlange schiebt – allein mit Hilfe von Muskelkontraktionen.
    Hin und wieder warf der Kellner jetzt einen ängstlichen Blick zurück. Er drängelte an der Fassade des Julischen Gerichts vorbei, und ich drängelte schwitzend hinterher. Aus der Richtung des Umzugs hörte ich jetzt das Stampfen der vierundzwanzig Liktoren, die die Eskorte des Kaisers bildeten – wahrscheinlich alle in roten Tuniken, die Rutenbündel geschultert, aber sehen konnte ich in diesem Menschengewühl von alledem nichts. Jetzt nahte Vespasian. Die Erregung

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