Silberschweine
ihn auch dann für eine sehr mittelmäßige Erscheinung gehalten, wenn ich kein leidenschaftlicher Anhänger der Blauen gewesen wäre. Eigentlich konnte ich die Männer meiner Schwestern allesamt nicht leiden, und deshalb haßte ich auch Familientreffen. Unter einem Festtag stellte ich mir etwas anderes vor als höfliches Getue mit Idioten und Herumtreibern. Von Gallas Gatten abgesehen, den seine Frau vorübergehend auf den Müllhaufen gesetzt hatte, kamen und gingen diese verabscheuungswürdigen Gestalten den lieben langen Tag, und mein einziger Trost war, daß ihre Frauen sie noch schlechter behandelten als mich.
Und fürwahr, es wurde ein langer Tag. Von Trompeten angekündigt, kamen nun die Beutestücke. Titus hatte recht gehabt – dergleichen hatte die Welt noch nicht gesehen. Es war ein Jahr her, seit Vespasian den Thron bestiegen hatte, und er selbst war schon vor sechs Monaten heimgekehrt. Reichlich Zeit für den Palast, ein Spektakel zu inszenieren, und das hatte man getan. Stundenlang wurden wir mit Darstellungen von Szenen aus Vespasians Feldzug in Judäa traktiert: Wüsten und Flüsse, eroberte Städte und brennende Dörfer, Armeen, die durch glühende Ebenen ziehen, Belagerungsmaschinen, die Vespasian selbst erfunden hatte – all das schaukelte auf Festwagen an uns vorbei, die drei und vier Stockwerke hoch aufragten. Und dann, zwischen riesigen, knarrenden Wagenrädern, umgeben vom Geruch frisch bemalter Leinwand, die in der Sonne sofort rissig wurde, schoben und drängten sich Festwagen mit angemalten Rudern an den Seiten durch die Straßen, die eine entfernte Ähnlichkeit mit Segelschiffen hatten. So gefielen mir Schiffe am besten; wenn sie auf dem trockenen Land segelten, fand ich sie wunderbar.
Und weiter ging es. Träger in karminroten Uniformen, einen Lorbeerkranz auf dem Kopf, marschierten in endlosen Kolonnen durch die Stadt – vom Marsfeld, an den Theatern vorbei, wo die Massen bis in die Fassaden hinaufgeklettert waren, über den Viehmarkt, um den Circus herum, zwischen Palatin und Caelius hindurch und dann über die Via Sacra auf das Forum. Sie trugen Banner aus üppigen babylonischen Stoffen, von Künstlern bemalt oder reich verziert mit Juwelen und Stickereien. In offenen Sänften wurden die festlich geschmückten Statuen der meistverehrten Götter von Rom vorübergetragen. Dann folgten die Kostbarkeiten – in so protziger Fülle, daß sie fast wertlos wirkten; nicht nur das Gold und die Juwelen, die man aus dem Schutt des verwüsteten Jerusalem gebuddelt hatte, sondern auch Wunderdinge von unermeßlichem Wert, die den wohlhabendsten Städten in den reichsten Ecken der Welt auf Befehl Vespasians mit eiserner Diplomatie abgerungen worden waren. Ganze Berge von Edelsteinen hatte man so wahllos auf Tragen gehäuft, als hätten die Gruben Indiens über Nacht den Schluckauf bekommen: Onyx und Sardonyx, Amethyste und Achate, Smaragde, Jaspis, Hyazinth, Saphire und Lapislazuli. Dann folgten, auf Bahren getürmt, die eroberten Goldkronen, die Diademe mit Spitzen wie Sonnengefunkel, die Krönchen mit riesigen Rubinen und großen Perlen. Und immer noch mehr Gold, bis die Straßen unter dem strahlenden Glanz einer goldenen Flutwelle erglühten, die in einem riesigen, schwellenden Mäander heroischen Überschwangs langsam auf das Kapitol zuschwappte.
Ich erinnere mich, daß der Lärm gegen Nachmittag abnahm – nicht, weil die Massen heiser gewesen wären (obwohl sie es waren), und auch nicht, weil sie das Interesse verloren hätten (das hatten sie keineswegs). Es schien vielmehr, als könnten die Leute diese verschwenderische Prachtentfaltung des Imperiums nicht mehr mit jener naiven Verzückung betrachten, die sie anfangs hatte jubeln lassen. Doch gleichzeitig drängten die endlosen Reihen der Marschierenden noch stolzer vorüber, denn nun nahte der Höhepunkt des Umzugs: die Schätze aus dem Heiligen Tempel von Jerusalem – der merkwürdige siebenarmige Leuchter, ein zentnerschwerer goldener Tisch und die Pentateuch.
»Wenn Festus jetzt hier wäre!« wimmerte Galla, und alle schnieften. (Die Weinkrüge waren inzwischen geleert.)
Es schien eine Unterbrechung zu geben. Maia und ich hoben alle Kinder von der Tribüne auf die Straße. Wir ließen sie nach Familien antreten und führten sie zur nächstgelegenen öffentlichen Latrine. Dann brachten wir sie zurück und füllten sie wieder mit Wasser, bevor sie an Austrocknung und Aufregung zugrunde gingen.
»Onkel Marcus! Der Mann da hat seine
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