Silberschweine
an der Ecke unserer Straße gedrückt und sein Alphabet gelernt. Für Julius Frontinus war ich also der kleine Bruder eines Nationalhelden, und weil er Festus nicht mehr mit in eine Taverne nehmen und ihm einen ordentlichen Rausch spendieren konnte – denn Festus lag tot in der Wüste von Judäa –, nahm er mit mir vorlieb.
Es war ein diskretes, ordentlich geführtes Weinlokal in der Nordostecke von Rom, nahe der Porta Viminalis, voller Angehöriger der Stadtregimenter und sehr nüchtern. Es gab nichts zu essen. Es gab keine Frauen. Dafür gab es Alkohol jeder Art, warm und kalt, gewürzt und pur, reichlich teuer, aber ich durfte ja nicht zahlen. Allein wäre ich überhaupt nicht hineingekommen. Zusammen mit Frontinus achtete niemand auf mich.
Wir saßen zwischen ein paar großen, gutgekleideten Männern, die unverhohlen lauschten, aber kein Wort sagten. Frontinus kannte sie offenbar; anscheinend war nichts von dem, was er sagte, neu für sie. Aber es dauerte ein Weilchen, bis ich ihn so weit hatte, daß er überhaupt etwas sagte. Wenn man von einem solchen Mann zu einem Becher eingeladen wird, dann kommt vor dem Geschäft natürlich erst einmal das Zeremoniell. Unseres bestand darin, mir zu Ehren und ihm zum Vergnügen so lange über Helden und Heldentum zu sprechen, bis wir beide ziemlich betrunken waren.
Nachdem wir uns über Festus unterhalten hatten, aber bevor ich völlig wegsackte, gelang es mir, ihm einige Fragen zu stellen. Und bevor mich Frontinus auf dem Wagen eines Bauunternehmers mit einer Ladung Firstziegel nach Hause schickte, gelang es ihm, sie zu beantworten.
»Warum hat er das bloß getan?« grübelte Frontinus noch immer. »Als erster die Stadtmauer von Bethel hoch, als erster tot. Und für den Rest der Ewigkeit bleicht sein Grabstein in der Wüstensonne. Wahnsinn!«
»Er wollte seine Einlage bei der Sterbekasse zurückhaben. Konnte den Gedanken nicht ertragen, daß all die Abzüge von seinem Sold umsonst sein sollten. Nun denn, Patriotenbruder, Heil dir und lebe wohl!«
Festus war vor zwei Jahren gefallen, kurz vor dem Ende von Vespasians Galiläa-Feldzug, aber seither war in der Stadt so viel geschehen, daß es mir viel länger vorkam. Trotzdem konnte ich einfach nicht glauben, daß es ihn nicht mehr gab. Irgendwie werde ich es nie begreifen. Ich warte noch heute auf die Nachricht, daß Festus gerade in Ostia gelandet ist und ich doch bitte mit einem Fuhrwerk kommen, ihn abholen und außerdem ein paar Weinschläuche mitbringen soll, ihm sei nämlich das Geld ausgegangen, und auf dem Schiff habe er ein paar Burschen getroffen, und denen wolle er einen ausgeben … Auf diese Nachricht werde ich wohl mein ganzes Leben warten.
Es tat mir gut, über ihn zu sprechen, aber jetzt war’s genug. Genug getrunken hatte ich außerdem. Trotzdem füllte Frontinus unsere Becher noch einmal. Dann beugte er sich zu mir über den Tisch und war offenbar endlich bereit, zu reden.
»Falco – Falco, wie heißt du mit Vornamen?«
»Marcus«, gestand ich. Genau wie Festus, was Frontinus bestimmt wußte.
» Marcus! Jupiter! Ich nenne dich Falco. Wie bist du in diese Sache hineingeraten, Falco?«
»Für die Silberschweine ist eine Belohnung ausgesetzt.«
»Mein lieber Junge, da ist absolut nichts drin!« Er wurde wunderbar väterlich. »Das ist Politik; überlaß das den Garden! Festus würde dasselbe sagen, aber er ist nicht hier, also laß es dir von mir gesagt sein. Paß auf, ich erkläre es dir. Nach vier neuen Staatsoberhäuptern in weniger als zwölf Monaten brachte Vespasian eine erholsame Wende, aber ein paar krumme Typen sind ihm nicht grün. Du weißt, wie das läuft – machen sich an einen ran, wenn man dienstfrei hat, kleine Männer, die was Großes zu verkaufen haben –«
»Silberschweine!« Jetzt wurde mir manches klar. » Ex Argentiis Britanniae. Zur Finanzierung einer politischen Verschwörung! Wer steckt dahinter?«
»Das würden wir auch gerne wissen«, sagte Frontinus grimmig.
Ich spürte, wie die Männer um ihn herum in Bewegung gerieten. Vorsichtig und ohne einen von ihnen anzusehen, sagte ich: »Treue dem Kaiser!«
»Schon gut …« Julius Frontinus lachte.
Auf ihre Treue bilden sie sich viel ein. In ihren besten Zeiten haben die Prätorianer neue Kaiser eigenmächtig auf den Thron gehoben. Claudius haben sie auf diese Weise gekrönt, und im Vier-Kaiser-Jahr konnte sogar ein Trottel wie Otho die Macht an sich reißen, sobald er sich die Unterstützung der Prätorianer gesichert
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