Silberschweine
vollendete Umgangsformen und reichlich mit klingelndem Goldschmuck behangen – eine Frau, der es an nichts fehlte, mit einem Gesicht, das alles hatte. Zuerst betrachtete sie Sosia, dann wanderten ihre klugen schwarzen Augen zu mir hinüber. Sie war eine von diesen vernünftigen Matronen, über deren Existenz sich jeder Junggeselle freut, wenn er plötzlich mit einem unehelichen Kind konfrontiert wird, das er nicht verleugnen kann. Jetzt verstand ich, warum der schlaue Publius seine Sosia hier abgeladen hatte.
Julia Justa nahm ihre verlorene Nichte ohne großes Theater in Empfang. Fragen würde sie ihr später stellen, wenn sich die Aufregung im Haus gelegt hatte. Eine ehrbare, verdienstvolle Frau, die zu ihrem Unglück mit einem Mann verheiratet war, der sich auf äußerst dilettantische Weise im Währungsschwindel versuchte, einem Trottel, der eigens einen Ermittler anheuerte, um sich von ihm überführen zu lassen.
Ich ging hinüber zur Bibliothek und trat unangemeldet bei Decimus ein.
»Na, so was!« sagte ich. »Ein Senator, der keine verschmuddelten griechischen Antiken sammelt, sondern Barren, die der Staat selbst zierlich graviert hat! Sie haben eine ganze Menge am Hals, Senator, warum haben Sie dann auch noch mich eingestellt?«
Einen Moment lang sah er mich unsicher an, dann faßte er sich anscheinend wieder. Ich nehme an, als Politiker gewöhnt man sich mit der Zeit daran, daß einen die Leute als Lügner ansehen.
»Gefährliches Terrain, Falco. Wenn Sie sich wieder beruhigt haben –«
Ich war die Ruhe selbst. Wütend, aber mit Klarblick.
»Senator, irgend jemand muß das Silberschwein gestohlen haben; aber Sie halte ich nicht für den Dieb. Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, britannisches Silber zu stehlen, hätten Sie auf Ihre Beute besser achtgegeben. Also, was haben Sie damit zu tun?«
»Ich bin offiziell damit befaßt«, sagte er, zögerte dann aber doch. Ich glaubte ihm sowieso nicht. »Oder sagen wir: halboffiziell.«
Ich glaubte ihm immer noch nicht. Ich unterdrückte ein Lachen. »Und halbkorrupt?«
Er wischte meine Unverfrorenheit beiseite: »Falco, das ist streng vertraulich.« Vertraulichkeiten dieser Art waren das letzte, worauf ich scharf war. »Jemand hat den Barren nach einem Handgemenge auf der Straße gefunden und beim Magistrat abgeliefert. Ich kenne den Prätor dieses Bezirks: Ich lade ihn manchmal zum Essen ein, und sein Neffe hat meinem Sohn die Versetzung besorgt. Natürlich haben wir über den Barren gesprochen.«
»Aha, so unter Freunden!«
Was immer er angestellt haben mochte, ich war ihm gegenüber unerträglich grob. Seine Geduld überraschte mich. Ich sah ihn mir genauer an; er tat das gleiche mit mir. Wäre er ein anderer Typ gewesen, ich hätte geglaubt, er wolle von mir irgendeinen Gefallen.
»Meine Tochter Helena hat einen Brief nach Britannien gebracht – wir haben Verwandte dort. Mein Schwager leitet die britische Finanzverwaltung. Ich habe ihm geschrieben –«
»Beziehungen muß man haben!« spottete ich. Ich hatte vergessen, wie eng diese Leute zusammenhalten: ganze Nester zuverlässiger Freunde in jeder Provinz, von Palästina bis zu den Säulen des Herkules.
»Falco, bitte! Gaius – mein Schwager – hat bei einer Prüfung der Bilanzen entdeckt, daß zumindest seit dem Vier-Kaiser-Jahr bei den Erträgen der britischen Bergwerke ständig ein gewisser Teil abhanden kam. Diebstahl im großen Format, Falco! Als wir das hörten, wollten wir unser Beweisstück sicher unterbringen; mein Freund, der Prätor, bat mich um Hilfe. Sosia Camillinas Schließfach zu benutzen war, wie ich leider gestehen muß, meine kluge Idee.«
Ich berichtete ihm von unserem neuen Versteck. Er machte ein gequältes Gesicht. Petro hatte das Silberschwein in Lenias Wäscherei gebracht und in ihrem Bottich mit Bleichpipi deponiert.
Der Senator äußerte sich weder über unser eigenmächtiges Vorgehen bei der Unterbringung seines Beweisstücks noch über das übelriechende Versteck selbst. Was er mir jetzt anbot, war viel gefährlicher.
»Haben Sie momentan viel zu tun?«
Ich hatte nie viel zu tun. So gut war ich als Ermittler nicht.
»Hören Sie zu, Falco, haben Sie Interesse, uns zu helfen? Wir können der Verwaltung nicht trauen. Irgend jemand muß schon geplaudert haben.«
»Wie steht es damit hier im Haus?« unterbrach ich ihn.
»Ich habe den Barren hier nie erwähnt. Ich habe Sosia begleitet, um ihn auf dem Forum zu deponieren, aber ohne ihr einen Grund zu nennen,
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