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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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sagt!«
    Sie zögerte.
    »Du ahnst nicht –«
    Ich war Freizeitpoet; es gab viele Dinge, von denen ich keine Ahnung hatte, aber bei dieser Sache wußte ich Bescheid. »Doch Sosia – ich weiß!«
    Einen phantastischen Moment lang blitzte in mir der Traum von einem Leben mit Sosia Camillina auf. Dann war er zu Ende. Nur ein Dummkopf würde versuchen, die Schranken der Rangordnung auf diese Weise zu überspringen. Ein Mann kann sich mit Geld ins Bürgertum einkaufen, er kann sich für Verdienste um den Kaiser den Goldenen Ring verleihen lassen (vor allem wenn es sich um Verdienste von der fragwürdigen Sorte handelt), aber solange ihr Vater und ihr Onkel wußten, was sie sich schuldig waren – und ihr Onkel mußte es wissen, er war Millionär –, würde Sosia Camillina, trotz fehlender Mutter, so an den Mann gebracht werden, daß es sowohl ihrer eigenen Stellung als auch dem Bankkonto der Familie zum Wohle gereichte. Ihr Leben und mein Leben würden niemals zusammenkommen. Im Grunde ihres Herzens wußte sie es, denn trotz ihres tapferen Vorstoßes blickte sie auf ihre Zehen in den goldenen Sandalen, biß sich auf die Lippe und fand sich ab mit dem, was ich sagte.
    »Wenn ich dich brauche –« begann sie mit gedämpfter Stimme.
    Ich fiel ihr ins Wort und versuchte selbst wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen: »Das wirst du nicht. In deinem behüteten Leben brauchst du niemanden wie mich. Und ich, Sosia Camillina, brauche dich auch nicht!«
    Ich ging rasch hinaus, ohne mich umzusehen.
    Ich ging zu Fuß nach Hause. Rom, meine Stadt, deren Tröstungen bei mir noch nie versagt hatten, lag vor mir wie eine Frau – verschwiegen und schön, anspruchsvoll, dankbar und ewig verführerisch. Aber zum erstenmal im Leben ließ ich mich nicht verführen.

XVII
    Ich sah Sosia Camillina wieder. Sie bat mich, sie zu treffen. Selbstverständlich ging ich hin. Ich ging, sobald ich konnte.
    Schon wandte sich der Sommer nach dem Herbst. Noch schienen die Tage genauso lang und genauso heiß, aber gegen Abend wurde es rascher kühl. Ich fuhr in die Campagna, um während der Traubenernte ein wenig auszuspannen, aber mit dem Herzen war ich woanders und kehrte bald zurück.
    Ich war mit meinen Gedanken von den Silberschweinen noch immer nicht losgekommen. Dieses Rätsel hatte mich gepackt; daran änderte auch nichts der Zorn darüber, wie mich Decimus Camillus zum Narren gehalten hatte. Jedesmal wenn ich Petronius Longus begegnete, fragte er mich, wie ich vorankäme. Er kannte meine Gefühle, aber auch ihn fesselte die ganze Angelegenheit so sehr, daß kein Platz für Takt blieb. Ich fing an, ihm aus dem Weg zu gehen, aber das deprimierte mich nur noch mehr. Hinzu kam, daß alle Welt unseren neuen Kaiser Vespasian beobachtete. Kein Gespräch beim Barbier oder in den Bädern, auf der Rennbahn oder im Theater ohne diese unangenehmen Stiche, weil ich nicht vergessen konnte, was ich wußte.
    Sechs Wochen oder noch länger war ich völlig niedergeschlagen. Ich verpatzte ein paar Scheidungsfälle, versäumte es, Vorladungen zuzustellen, vergaß Verhandlungstermine, holte mir im Sportzentrum einen Bänderriß, beschimpfte meine Familie, ging meinem Vermieter aus dem Weg, trank zuviel, aß zuwenig und gab die Frauen für immer auf. Wenn ich mir im Theater ein Stück ansah, verlor ich den Faden.
    Eines Tages stellte mich Lenia.
    »Falco, deine Freundin war hier.«
    Aus alter Gewohnheit fragte ich: »Welche?« Ich tat immer noch gern so, als würde jeden Nachmittag ein Schwarm halbnackter tripolitanischer Akrobatinnen bei mir einfallen und mich zermürben. Aber Lenia wußte, daß ich mit den Frauen Schluß gemacht hatte; sie vermißte schon das Geklapper der kleinen Sandalen und das Gekicher auf der Treppe, wenn ich sie mit hochnahm. Sie vermißte auch das empörte Gekreisch, wenn meine Mutter sie am nächsten Tag an die frische Luft setzte.
    »Fräulein Zierlich mit dem Stammbaum und den Klunkern. Habe sie in den Bleichbottich pinkeln lassen … ist dann nach oben, um dir eine Nachricht dazulassen …«
    Ich hastete die Treppe hoch. Keuchend und mit hängender Zunge kam ich an. Meine Mutter war dagewesen: ein Stapel geflickter Tuniken, ein Bild von einem Streitwagen, das meine Nichte auf einer Schiefertafel gezeichnet hatte, eine Meeräsche in einer abgedeckten Schüssel. Ich schob alles beiseite und suchte.
    Im Schlafzimmer wurde ich schließlich fündig. Ich spürte einen Stich bei der Vorstellung, daß Sosia hier gewesen war. Sie

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