Silberschweine
stets bemüht, Senatoren nicht dadurch zu verärgern, daß ich mich mit den ihrer Obhut anvertrauten Mündeln in der Vorhalle ihres eigenen Hauses abgebe, wo die Dienstboten alles mitbekommen. Wenn ich mit Sosia sprach – und dies mußte ich, da ihre ehrwürdige Person ja das Wort an mich gerichtet hatte –, dann mußte es schnell geschehen, und wir blieben besser in der Halle.
»Oh, Didius Falco, bitte!«
Ich folgte ihr aus purem Trotz.
Sie führte mich in einen Innenhof, den ich vorher noch nicht gesehen hatte. Blendend weißes Gemäuer lag im Kampf mit dem kalten Schwarzgrün gestutzter Zypressen. Gurrende Tauben hockten da, und es gab einen größeren Springbrunnen, der sogar wirklich funktionierte. Ein Pfau schrie hinter einer der mit Flechten bedeckten Urnen, aus denen prächtige weiße Lilien sprossen. Es war ein angenehm kühler, ruhiger Ort, aber ich weigerte mich, in den Schatten der Laube zu tauchen und mich beschwichtigen zu lassen. Sosia setzte sich; ich stand vor ihr, die Arme verschränkt. Vielleicht war es ganz gut so. Auf diese Weise bändigte ich den Drang, einen Arm um sie zu legen.
Sie trug ein rotes Kleid, das mit einer pflaumenblauen Borte gesäumt war. Es hob die Blässe ihrer Haut unter der Schminke hervor. Mit spitzem, beunruhigtem Gesicht beugte sie sich zu mir vor und war einen Augenblick lang nur noch ein bleiches, schmales, armseliges Geschöpf. Sie schien sich für ihre Familie entschuldigen zu wollen, aber als sie versuchte, mich herumzubekommen, wurde sie ernster, als ich sie je zuvor erlebt hatte. Irgend jemand mußte ihr mal beigebracht haben, wie man sich durchsetzt.
»Ich habe zufällig alles mitangehört. Falco, du kannst nicht zulassen, daß man Vespasian ermordet; er wird ein guter Kaiser werden!«
»Das bezweifele ich.«
»Er ist nicht grausam; er ist nicht verrückt. Er führt ein einfaches Leben. Er arbeitet hart. Er ist alt, aber er hat einen begabten Sohn –« Sie sagte das mit Sinn und Verstand, und sie glaubte daran, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, daß diese Theorie auf ihrem eigenen Mist gewachsen war. Es überraschte mich, daß der Kaiser in diesem Haus so viel Unterstützung fand, denn es mangelte ihm an allen herkömmlichen Vorzügen. Keiner seiner Angehörigen hatte je ein hohes Amt bekleidet. Nicht daß ich ihm einen Vorwurf deswegen gemacht hätte – in meiner Familie war es schließlich genau dasselbe.
»Wer hat dir denn diesen Senf eingetrichtert?« fragte ich mürrisch.
»Helena.«
Helena. Die Kusine, die sie erwähnt hatte. Die Tochter des Senators, von der sich irgendein Einfaltspinsel von Ehemann mit Erfolg hatte scheiden lassen.
»Verstehe … Und was ist das für eine, deine Helena?«
»Sie ist wunderbar!« rief Sosia sofort, aber dann ebenso entschieden: »Dir würde sie nicht gefallen!«
»Wieso?« fragte ich lachend.
Sie zuckte mit den Achseln. Ich hatte ihre Kusine nie kennengelernt, fühlte aber schon eine instinktive Abneigung gegen diese Frau, als sich Sosia anfangs, weil sie mir nicht traute, hinter ihrem Namen versteckte. Der einzige wirkliche Groll, den ich gegen Helena hegte, hing damit zusammen, daß sie offensichtlich großen Einfluß auf Sosia Camillina hatte. Diesen Einfluß hätte ich lieber selbst gehabt. Trotzdem irrte sich Sosia vermutlich. Die meisten Frauen gefielen mir. Aber wenn diese Helena glaubte, ihre jüngere Verwandte beschützen zu müssen, wie es vermutlich der Fall war, dann war es wohl eher umgekehrt, dann würde ich wahrscheinlich ihr nicht gefallen.
»Ich korrespondiere mit ihr«, erklärte Sosia, die meine Gedanken erraten hatte.
Ich sagte nichts. Ich wollte gehen. Es gab nichts mehr zu sagen. Ich stand da, nahm den Duft der Sommerblumen wahr, fühlte die Wärme, die von den Steinen abstrahlte.
»Ich schreibe Helena alles.«
Ich sah sie freundlicher an. Beklommenheit packte mich.
Da ich keinen Ton sagte, redete Sosia einfach weiter. Das war ihre einzige unangenehme Angewohnheit; sie konnte einfach nicht still sein.
»Gehst du wirklich schon? Werde ich dich nie wiedersehen? Ich muß dir etwas sagen. Marcus Didius Falco, ich frage mich seit Tagen, wie ich –«
Sie hatte meinen vollen Namen gebraucht. Das tat sonst niemand. Ihr respektvoller Ton war mir unerträglich. Plötzlich war ich wirklich in einer kritischen Lage. Mein Zorn verflog.
»Laß es!« rief ich. »Sosia, glaub mir, wenn man Tage braucht, um seinen Text zusammenzubringen, dann liegt es daran, daß man besser gar nichts
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