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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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oder Falco? Ich glaube, er.
    Die Stimme meiner Mutter, bissig vor Erleichterung, tönte: »Deshalb bezahlen andere Leute ihre Miete pünktlich!«
    Über mir hing Lenia mit ihrem hageren Hals, sie sah aus wie eine riesige Eidechse. »Bleib liegen!« sagte sie. Ich setzte mich.
    Meine Mutter hatte nachgeholfen. Lieber wieder hinlegen, aber ihr Arm hinter meinem Rücken hielt mich aufrecht wie der Stab eines Puppenspielers.
    Meine Mutter faßte mich mit dem festen, sachlichen Griff der erfahrenen Amme unter das Kinn und hob meinen Kopf. Immer behandelt sie mich wie einen hoffnungslosen Fall. Sie redet mit mir wie mit einem mißratenen Kind. Der Tod meines hochherzigen Bruders brennt zwischen uns als ein immerwährender Vorwurf. Ich weiß nicht mal, was sie mir eigentlich vorwirft. Wahrscheinlich weiß sie es selbst nicht.
    Aber jetzt schien sie mir zu vertrauen. Mit einer Stimme, die mit aller Kraft Sinn und Verstand in den Brei hineinpumpte, der mal mein Gehirn gewesen war, sagte sie: »Marcus! Ich mache mir Sorgen um die Kleine! Wir haben ihre Nachricht gelesen. Ich habe Petronius auf die Suche geschickt, aber du solltest auch –«
     
    Wie ein fetter Eunuch mit mehr Geld als Geschmack erreichte ich das Forum in einer Sänfte. Die Träger drängelten sich durch die Menschenmassen zum Goldenen Meilenstein, von dem aus die Entfernungen aller Straßen des Reiches gemessen werden. Von Sosia keine Spur. Ich hatte mir vorgestellt, wie sie am Mittelpunkt der Welt auf mich wartete. Aber jetzt war nichts von ihr zu sehen. Einer von Petros Leuten sagte mir, ich solle zu seinem Hauptmann in die Granatgasse kommen. Ich machte mich zu Fuß auf den Weg.
    Während ich nach der richtigen Gasse suchte, stieß ich auf ein paar Kanalarbeiter, die sich, wie das so ihre Art ist, an einem Schacht zu schaffen machten. Aber sie arbeiteten mit mehr Energie als üblich. Hektisch schaufelten sie Mörtel nach unten, und nirgendwo war eine Kürbisflasche mit Wein zu sehen.
    Ich sprach sie mit jener Förmlichkeit an, die mir bei Fachleuten zuweilen angebracht scheint: »Dürfte ich kurz unterbrechen? Haben Sie hier zufällig Petronius Longus, den Hauptmann der Aventinischen Wache, vorbeikommen sehen?«
    Der Vorarbeiter verwehrte mir den Genuß seiner Lebensphilosophie nicht: »Hör mal, Centurio, wenn die Große Kloake nach fünfhundert Jahren anfängt, die Via Sacra in die Scheiße runterzuziehen, dann haben die Jungs, die den Kanal hier abdichten, was besseres zu tun, als bei den Passanten eine Volkszählung abzuhalten!«
    »Besten Dank für die Auskunft«, antwortete ich höflich. Diesmal brachte es etwas.
    »Hinter den Pfefferspeichern«, knurrte er. »Machen einen Mordswirbel, diese Schwachköpfe.« Die halbe Strecke hatte ich schon hinter mir und sagte immer noch Dankeschön.
    Es gab keinen Grund zur Eile.
     
    Die Granatgasse lag auf der Südseite des Forums, in der Nähe der Gewürzmärkte. Es war eine dieser typischen steilen, verwinkelten Gassen voller Schmutz und Abfall, die von unseren Hauptstraßen abzweigen, gerade so breit, daß sich ein Gefährt hindurchzwängen konnte. Oben, wo die Speicher über der Straße zusammenwuchsen und den Himmel verdeckten, hingen Fensterläden schief in den Angeln. Modergeruch stand zwischen den Häusern. Eine Katze jaulte mich böse an. Es war eine von jenen Ecken, wo einem mulmig wird, wenn man jemanden kommen sieht, und genauso, wenn man niemanden sieht; jedenfalls ein trostloses Ziel für die prächtigen Karawanen, die die Schätze Arabiens, Indiens und Chinas durch die halbe Welt schaukelten, um sie in Rom zu verkaufen.
    Das Lagerhaus, zu dem ich wollte, sah verlassen aus; üppiges Grün überwucherte die Fahrspur in der Einfahrt, und draußen stand ein kaputter Wagen auf einer Achse, nach hinten gekippt. In einem offenen Hof fand ich sie – Petronius Longus und ungefähr ein Dutzend Männer. Noch ehe ich durch das Tor trat, ahnte ich, was mich dahinter erwartete. Ich hatte die gedämpfte Tonlage, in der sich betrübte Routiniers miteinander unterhalten, oft genug gehört.
    Petro kam auf mich zu. »Marcus!«
    Alle Hoffnung und aller Zweifel schwanden.
    Er stand jetzt vor mir, er griff nach meinen Händen. Seine Augen wanderten über meine Wunden und blauen Flecken, aber er war so sehr mit anderen Gedanken beschäftigt, daß er sie gar nicht wahrnahm. Hinter ihm regte sich etwas. Er drehte sich um und legte mir einen Arm um die Schulter. Er brachte es nicht über sich, mir zu sagen, was geschehen

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