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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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war. Es war auch nicht nötig.
    Man hatte sie im Lagerhaus gefunden. Als ich kam, wurde sie gerade nach draußen getragen. Hier sah ich sie nun zum letzten Mal. Ihr weißes Kleid bauschte sich wie ein Strang Wolle über dem Arm eines grimmig dreinblickenden Wachsoldaten; die Art, wie ihr Kopf nach hinten nickte, verriet unmißverständlich: Sosia Camillina war tot.

XVIII
    Dunkelheit, flackernde Fackeln, die Patrouille wartete auf den Prätor. Mit erdrosselten Prostituierten und Fischweibern, die irgendwer mit einer Faßdaube erschlagen hat, kamen sie allein zurecht, aber das hier ging den Senat an – die Aufklärung war vielleicht nicht schwieriger, aber mit mehr Schreiberei verbunden.
    Petronius stöhnte. »Stundenlang haben wir gesucht, etliche Spitzeln ausgequetscht, die sie gesehen hatten. Endlich waren wir in der Gasse und mußten noch fünf verschiedene Wächter in die Mangel nehmen, bis wir die richtige Stelle gefunden hatten. Zu spät. Ich konnte nichts machen. Ich konnte einfach nichts machen … Diese verdammte Stadt! «
    Er liebte Rom.
    Sie legten sie im Hof auf den Boden.
    Meistens ist es ziemlich leicht, an diesem Punkt einen gewissen Abstand zu wahren. Meistens kenne ich die Opfer ja nicht, ich lerne sie erst nach dem Verbrechen kennen. Und ich kann diese Reihenfolge nur jedem empfehlen.
    Ich vergrub mein Gesicht in den Händen.
    Ich bemerkte, daß Petronius Longus seine Leute auf die Seite winkte. Wir waren seit langem Kollegen. Wir standen im Leben auf der gleichen Seite. Jetzt verschaffte er mir soviel Raum, wie er konnte.
    Ich stand einen Meter von ihr entfernt. Petronius trat neben mich. Er murmelte etwas und kniete sich hin. Seine große Hand schloß ihr behutsam die Augen. Dann stand er neben mir. Wir sahen beide auf sie herab. Er sah Sosia an, um nicht mich ansehen zu müssen. Ich sah Sosia an, weil es auf dieser Welt nichts anderes gab, was ich je wieder ansehen wollte.
    Ihr anmutiges Gesicht leuchtete noch durch die Schminke. Aber darunter schimmerte ihre Haut alabasterweiß. Es war Sosia; aber sie würde es nie wieder sein. Da war kein Strahlen und kein Lachen, nur diese reglose, bleiche Hülle, eine Leiche, aber ich konnte mit ihr nicht umgehen wie mit einer Leiche.
    »Sie hat es gar nicht mitbekommen«, murmelte Petro und räusperte sich. »Es muß ganz schnell gegangen sein. Nichts Schlimmes.«
    Vergewaltigung. Er meinte Vergewaltigung, Folter, Erniedrigung, irgend etwas Widerwärtiges.
    Sie war tot, und dieser Schwachkopf wollte mir erzählen, sie hätte nicht leiden müssen! Er wollte mir erzählen, es sei alles sehr schnell gegangen.
    Das konnte ich selber sehen! Ein kurzer, kräftiger, gewaltsamer Stoß von unten hatte Sosia Camillina getötet, bevor sie auch nur ahnte, was der Mann im Schilde führte. Es war kaum Blut geflossen; der Schock hatte sie getötet.
    »War sie tot, als ihr kamt?« fragte ich. »Hat sie noch etwas gesagt?«
    Routinefragen, Marcus. Klammere dich an deine Routine.
    Eine unsinnige Frage. Petronius hob hilflos die Schultern und wandte sich ab.
    So stand ich da und war fast allein mit Sosia – jedenfalls so allein, wie ich es nie wieder sein würde. Ich hätte sie gern in die Arme genommen, aber es waren zu viele Leute da. Ich ging in die Hocke und kauerte neben ihr, während Petro seine Truppe noch immer fernhielt. Ich konnte nicht zu ihr sprechen, auch nicht in Gedanken. Ich sah sie auch nicht mehr richtig an. Der Anblick dieser Spur von dickflüssigem Blut auf ihrem Gewand hätte mich vollends umgeworfen.
    Ich saß da und versuchte mir vorzustellen, was geschehen war. Nur so konnte ich ihr jetzt noch helfen. Nur so konnte ich sie dafür trösten, daß sie so allein gestorben war.
    Dort hatte sie ihren Mörder getroffen, schreibend (das war offenkundig). Aber was hatte er geschrieben? Keine Aufstellung der Silberbarren, denn Sosia hatte sich geirrt, es waren keine Barren dort, wir haben das verlassene Lagerhaus tagelang von oben bis unten durchsucht. Aber er schrieb gerade etwas, denn um die Wunde herum war ihr weißes Kleid voller rußschwarzer Tintenspritzer. Vielleicht hatte sie ihn gekannt. Vielleicht war ihm, als sie so plötzlich vor ihm stand, klargeworden, daß sie zum Schweigen gebracht werden mußte, und er war aufgestanden und hatte sie mit einem raschen, von unten geführten Stoß ins Herz erstochen – mit seinem Schreibgriffel.
    Petronius hatte recht. Damit konnte Sosia Camillina nicht gerechnet haben.
    Ich stand auf, ohne zu stolpern und ohne

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