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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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übernehmen. Domitian, sein jüngerer Sohn, war ein politisches Leichtgewicht, aber Vespasian und Titus mußten gemeinsam vom Sockel geholt werden, oder jede Verschwörung gegen sie war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Für mich hieß das: ich hatte für die Lösung des Rätsels so viel Zeit, wie Titus brauchte, um Jerusalem zu erobern – und Festus hatte mir, bevor er in Bethel sein Leben wegwarf, erklärt, Titus würde in Jerusalem einmarschieren, ehe ein Zentaur auch nur zweimal mit dem Schwanz gewedelt hätte. (Titus hatte die Fünfzehnte Legion befehligt, in der mein Bruder damals diente.)
    So also stand es. Jeder Mann von Rang und Einfluß, der gern Kaiser werden wollte, konnte sich bemüßigt fühlen, die neue Dynastie von ihrem Olivenbaum herunterzuschütteln. Im Senat saßen sechshundert Männer. Jeder von ihnen konnte es sein.
    Camillus Verus zählte ich nicht zu den Verdächtigen. Lag es daran, daß ich ihn kannte? Da der alte Dummkopf mein Klient war, erschien er mir menschlicher als die anderen (obwohl ich mit solchen Mutmaßungen schon oft hereingefallen war). Aber selbst wenn er eine saubere Toga hatte, blieben noch fünfhundertneunundneunzig andere.
    Es mußte jemand sein, der in Britannien Bescheid wußte – oder jemanden kannte, der sich seinerseits dort auskannte. Ein Vierteljahrhundert war vergangen, seit Rom diese Provinz besetzt hatte (Vespasian hatte sich dabei übrigens zum erstenmal einen Namen gemacht). Seither waren zahllose tapfere Seelen nach Norden gezogen, um ihren Dienst zu tun, viele von ihnen Männer von hohem Ansehen, die inzwischen der Ehrgeiz gepackt haben mochte. Titus selbst war ein typisches Beispiel. Ich erinnerte mich noch, wie er als junger Militärtribun die Verstärkungstruppen befehligte, die aus dem Rheinland nach Britannien verlegt wurden, um die Provinz nach der Revolte wieder aufzubauen. Britannien war eine Art Exerzierfeld für gesellschaftliche Tauglichkeit. Niemand konnte die Gegend leiden; aber es gab heutzutage keine vornehme römische Familie, aus der nicht wenigstens ein Sohn oder Neffe fröstelnd in den Sümpfen an diesem letzten Ende der Welt Dienst geschoben hatte. Jeder von ihnen konnte der sein, nach dem ich suchte.
    Es konnte jemand sein, der in Nordgallien gedient hatte.
    Es konnte jemand aus der britischen Kanalflotte sein.
    Es konnte jeder x-beliebige Besitzer eines Schiffes sein. Ein Kaufmann, der britisches Korn zu den Militärstützpunkten am Rhein transportierte. Ein Händler, der Felle oder Jagdhunde nach Italien importierte. Einer, der Töpferwaren und Wein exportierte. Oder – man weiß ja, wie Kaufleute sind – ein ganzes mieses Syndikat.
    Es konnte der Statthalter der Provinz Britannien sein.
    Es konnte seine Frau sein.
    Es konnte der Mann sein, zu dem ich unterwegs war, Gaius Flavius Hilaris, der Schwager meines Senators, der inzwischen zum Prokurator der Finanzverwaltung aufgestiegen war und seit zwanzig Jahren freiwillig in Britannien lebte – die Entscheidung für diesen Wohnort war allerdings so exzentrisch, daß irgend etwas dahinterstecken mußte: wahrscheinlich lief Hilaris vor irgend etwas weg (oder er hatte den Verstand verloren … ).
    Als ich den Britannischen Ozean erreichte, war mir von all den wilden Mutmaßungen ganz schwindlig. Ich stand auf den Klippen am äußersten Ende Galliens, sah, wie die weißen Rosse der schäumenden Fluten dahinjagten, und spürte Übelkeit in mir aufsteigen. Während das Schiff in die Meerenge hinauszusteuern versuchte, schob ich mein Problem beiseite und konzentrierte mich darauf, nicht seekrank zu werden. Ich weiß nicht, warum ich das überhaupt versuchte – seekrank werde ich jedesmal.
    Erst beim fünften Anlauf kamen wir aus dem Hafen von Gesoriacum heraus, und als wir dann auf offener See waren, hatte ich nur einen Wunsch: umkehren.

XXI
    Ich hatte vorgehabt, mich in aller Ruhe ein paar Tage in Londinium zu akklimatisieren. Aber der Hafenmeister in Gesoriacum mußte meine Ankunft gleich, nachdem er meiner ansichtig geworden war, dem Depot in Dubris signalisiert haben. Noch bevor ich Gallien verlassen hatte, wußte Londinium, daß ich unterwegs war. Am Kai von Rutupiä spazierte ein Abgesandter in pelzgefütterten Stiefeln auf und ab. Er wartete nur darauf, mir beizustehen, sobald ich den Fuß an Land gesetzt hatte.
    Der Abgesandte des Prokurators war ein Dekurio, der seinen Posten, wie all diese Helden, durch Wichtigtuerei ergattert hatte. Er stellte sich vor, aber er war ein

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