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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Achtzigtausend Zivilisten waren niedergemetzelt worden, während wir in den Kasernen unsere Schnallen polierten. Alle vier britischen Legionen hätten verlorengehen können. Wir hätten den Statthalter verlieren können. Wir hätten die Provinz verlieren können.
    Und wenn eine römische Provinz durch einen Aufstand zu Fall gebracht worden wäre, der von einer Frau angeführt wurde, dann wäre womöglich das ganze Imperium ins Wanken geraten. Es hätte das Ende von Rom bedeuten können. So verhielt sich das mit dieser »kleinen Meinungsverschiedenheit«.
    Nachher sahen wir mit eigenen Augen, was die Barbaren angerichtet hatten. Wir sahen Camulodunum, wo die im Claudius-Tempel dicht zusammengedrängt kauernden Einwohner während eines viertägigen Flammeninfernos förmlich miteinander verschmolzen waren. Der schwarze Staub von Verulamium und Londinium verschlug uns den Atem. Wir holten die auf ihren abgelegenen Landvillen hingemordeten Siedler von den Kreuzen herunter; wir bedeckten die verbrannten Skelette ihrer erdrosselten Sklaven mit Erde. Voller Grauen sahen wir verstümmelte Frauen, die in den heiligen Hainen dieser Heiden wie blutrotze Fetzen von den Bäumen hingen. Ich war damals zwanzig Jahre alt.
    Deshalb hatte ich das Heer verlassen, sobald ich nur konnte. Es dauerte fünf Jahre, bis es soweit war, aber ich habe deswegen nie irgendwelche Skrupel gehabt. Ich arbeite jetzt für mich. Nie wieder werde ich mich den Befehlen eines Mannes von so krimineller Unfähigkeit unterwerfen, und nie wieder werde ich mich einer Organisation anschließen, die solche Trottel auf verantwortliche Posten befördert.
    Flavius Hilaris beobachtete mich.
    »Keiner von uns wird je ganz darüber hinwegkommen«, sagte er und klang selbst ziemlich heiser. Auch seine Miene hatte sich verdunkelt. Während der Statthalter Paulinus die Bergstämme einzuschüchtern versuchte, hatte Gaius Flavius Hilaris nach Gold und Kupfer gesucht. Jetzt war er für das Finanzwesen zuständig. Nach dem Statthalter bekleidete er den zweithöchsten Verwaltungsposten. Aber vor zehn Jahren, zur Zeit des Aufstandes, hatte er eine niedrigere Position inne; damals war er Prokurator der britischen Bergwerke.
    Er könnte es also doch sein! Mein müdes Hirn sagte mir, daß dieser kluge Mann mit dem offenen Lächeln durchaus der Bösewicht sein konnte, nach dem ich suchte. Er verstand etwas von Bergwerken, und er hätte die Dokumente fälschen können. Kein anderer im ganzen Reich war hierfür so gut plaziert wie er.
    » Sie müssen müde sein«, sagte er freundlich. Ich fühlte mich vollkommen ausgelaugt. »Das Abendessen haben Sie verpaßt. Aber für Ihr leibliches Wohl wird gesorgt. Ich lasse Ihnen etwas aufs Zimmer schicken. Vielleicht wollen Sie vorher noch unser Badehaus benutzen? Wenn Sie dann gegessen haben, möchte ich Ihnen meine Frau vorstellen …«
    Ich hatte zum erstenmal mit Angehörigen des Bürgertums im öffentlichen Dienst zu tun. Bisher waren sie mir einfach deshalb entgangen, weil sie ein Leben führten, in dem Betrug und Hinterlist so selten vorkamen, daß sie niemandes mißliebige Aufmerksamkeit erregten, und sie selbst bedurften meiner Dienste ebensowenig. Ich hatte erwartet, wie ein Dienstbote behandelt zu werden. Statt dessen wurde ich inkognito in den Privatgemächern des Prokurators untergebracht und wie ein Gast der Familie willkommen geheißen.
    Zum Glück hatte ich mir ein paar ordentliche Sachen eingepackt.

 

Abb. 1: Soldat der Kaiserlichen Flotte.

 



Abb. 2: Rom in der späten Kaiserzeit. Oben das Forum, darunter in der Bildmitte der Komplex der Kaiserpaläste auf dem Palatin, angrenzend der Circus Maximus. Das Flavische Amphitheater auf der rechten Seite, besser bekannt unter dem Namen »Colosseum«, wurde unter Vespasian begonnen und unter Titus im Jahre 80 n. Chr. vollendet. Das Modell der antiken Metropole befindet sich im Museo della Civiltà Romana, Rom.

 



 
    Abb 3a: Römischer Bleibarren aus Britannien.
    Abb 3b: Sklavenketten von der britischen Insel Anglesey (Lat. Mona).
    Abb 3c: Eiserne Schreibgriffel.

XXII
    Meine behagliche Unterkunft überraschte mich. Ein geräumiges Zimmer mit einem Bett, das unter der Last farbenprächtiger Decken ächzte. Öllampen flackerten. Aus den Heizungsschächten in den Wänden sickerte Wärme. Es gab Sessel mit niedrigen Fußschemeln, außerdem Kissen, Teppiche auf dem Fußboden, Schreibutensilien für meinen Gebrauch und ein paar späte Äpfel in einer schimmernden

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