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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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speckgesichtiger, unfreundlicher Kerl mit glattem Haar, dessen Namen ich gleich wieder vergaß. Er gehörte zur Zwanzigsten Legion Valeria, diesen eingebildeten Helden, die sich bei der Niederwerfung des Aufstandes der Königin Boudicca mit Ruhm bekleckert hatten. Jetzt lag ihr Hauptquartier gegenüber dem Bergland, bei Virconium, jenseits der Grenze, und die einzige nützliche Information, die ich diesem Knaben abzuluchsen vermochte, besagte, daß die Grenze trotz aller Bemühungen einer ganzen Riege von Statthaltern noch immer dort verlief, wo sie auch früher verlaufen war: entlang der alten Straße von Isca nach Lindum. Der größte Teil der Insel lag noch immer hinter der Grenze, außerhalb des römischen Herrschaftsgebietes. Mir fiel ein, daß auch die Silbergruben auf der falschen Seite der Grenze lagen.
    In Britannien war anscheinend alles beim alten geblieben. Die Zivilisation überzog diese Provinz wie eine dünne Schicht Wachs – mit dem bloßen Fingernagel konnte man sie abkratzen. Vespasian schickte ständig Rechtsanwälte und Akademiker, die aus den Stammesfürsten Demokraten machen sollten, die man gefahrlos zum Abendessen einladen konnte. Die Rechtsanwälte und Akademiker mußten gut sein. Rutupiä war ein typischer römischer Seehafen, aber sobald wir den Ort auf der Nachschubstraße südlich des Flusses Tamesis verlassen hatten, stellte sich das alte Bild ein: verrauchte runde Hütten inmitten von winzigen Feldern, verdrießliche Rinder unter einem bedrohlichen Himmel, und das bestimmte Gefühl, daß man tagelang durch Hügel und Wälder reisen mußte, ehe ein Altar für einen Gott in Sicht kam, dessen Namen man schon mal gehört hatte.
    Als ich Londinium das letzte Mal gesehen hatte, war die Stadt ein verkohltes Trümmerfeld gewesen, über dem ein beißender Geruch hing. Die Schädel niedergemetzelter Siedler türmten sich wie Kieselsteine in einem schmierigen roten Fluß. Jetzt stand an dieser Stelle eine neue Verwaltungshauptstadt. Wir kamen von Süden und fanden eine nagelneue Brücke, sauber angelegte Kais, Lagerhäuser und Werkstätten, Tavernen und Bäder; kein Gebäude war älter als zehn Jahre. Vertraute und exotische Gerüche wehten mich an, und in den ersten zehn Minuten hatte ich schon sechs verschiedene Sprachen gehört. Wir kamen an einem brachliegenden Gelände vorüber, auf dem der künftige Palast des Statthalters abgesteckt war, und an einem anderen großen Grundstück, wo das Forum entstehen sollte. Überall standen Regierungsgebäude, und in einem von ihnen – einem Finanzkomplex, in dem es sehr geschäftig zuging, mit Innenhöfen, die von gedeckten Gängen umgeben waren, und mit sechzig Büros – wohnte der Prokurator mit seiner Familie.
    Die Privatgemächer des Prokurators waren deprimierend britisch: überdachte Innenhöfe, enge Zimmer, ein dunkles Vestibül, düstere, stickige Gänge. Leute mit bleichen Gesichtern und bleichen Beinen lebten hier zwischen so viel Geschirr aus Arretium und Glaswaren aus Phönizien, daß das Dasein zumindest erträglich schien. Es gab sogar Wandgemälde – in Ochsenblut und Ocker gemalt, mit Randleisten aus Störchen und Weinlaub verziert und ausgeführt von einem Stukkateur, der offenbar vor zwanzig Jahren zum letzten Mal einen Storch und ein paar Weintrauben zu Gesicht bekommen hatte. Es war erst Mitte Oktober, aber schon schlug mir, sobald ich zur Tür hereinkam, die Wärme der Fußbodenheizung entgegen.
    Flavius Hilaris kam mir aus seinem Arbeitszimmer entgegen.
    »Didius Falco? Willkommen in Britannien! Wie war die Reise? Sie sind schnell vorangekommen! Treten Sie ein und erzählen Sie, ich lasse unterdessen Ihr Gepäck nach oben schaffen.«
    Er war ein zuvorkommender, lebhafter Mann, den ich nur bewundern konnte, denn er hielt es nun seit fast dreißig Jahren im öffentlichen Dienst aus. Er hatte braunes Kraushaar, einen wohlgeformten Kopf und schmale, feste Hände mit kurzgeschnittenen Fingernägeln. Er trug einen breiten Goldring, das Abzeichen der Bürgerklasse. Als Republikaner verachtete ich Rangunterschiede, aber der Mann selbst gefiel mir von Anfang an sehr gut. Sein Problem bestand darin, daß er seine Sache gut machte, aber sich seinen Sinn für Humor nicht nehmen ließ. Die Leute mochten ihn, aber konventionelle Beurteiler sahen darin nicht gerade ein Anzeichen »zuverlässiger Gesinnung«.
    Sein privates Arbeitszimmer nutzte Hilaris als zusätzliches öffentliches Büro. Außer einer abgewetzten Lesecouch standen darin ein

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