Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
seine übellaunige Tochter nun zu Gesicht bekommen hatte, begann mich die Aussicht auf den näheren Umgang mit ihr schon jetzt erheblich zu deprimieren. Früher hätte ich es vielleicht als Herausforderung angesehen, sie herumzubekommen. Aber der Schmerz um Sosia erfüllte mich so sehr, daß ich die Kraft dazu nicht aufbrachte.
    An dem Abend, an dem wir uns kennenlernten, entgingen mir ihre Vorzüge vollkommen – falls sie so etwas besaß. Aus Gründen, die ich nicht durchschaute, verachtete sie mich. Ich konnte Grobheiten ertragen, aber sie war anscheinend sogar gegen ihren Onkel und ihre Tante aufsässig.
    Sie blieb nicht lange weg. Wahrscheinlich wollte sie nichts verpassen, was mich in ihren Augen weiter herabsetzte. Als sie wieder hereinkam, ignorierte ich sie einfach. Bei eigensinnigen Typen ist es das beste.
    Trotzdem war ich neugierig. Daß man die Frauen aufgibt, bedeutet ja nicht, daß man nicht mehr hinsieht. Sie war eine ungehobelte Person, aber sie hatte eine prima Figur, und ich mochte die Art, wie sie ihr Haar hochsteckte. Mir fiel auch auf, daß das kleine Flaviermädchen gleich wieder zu ihr hinüberlief; nicht jeder schafft es, ein Kind so zu bezaubern. Da war sie also wieder: die berühmte Cousine meiner verlorenen Seele.
    Ihre beiden Väter waren Brüder, und doch waren sie einander überhaupt nicht ähnlich. Helena Justina war Anfang zwanzig, aber sie wirkte vollkommen selbständig. Sie brannte mit einer kräftigen, ruhigen Flamme, neben der die unfertige Sosia geradezu dumm und albern gewirkt hätte. Sie war alles das, was Sosia zu werden versprach und nun nie mehr werden konnte. Deswegen konnte ich Helena nicht leiden, und sie wußte es. Sie empfand tiefen Abscheu gegen mich.
    Wenn ich bei fremden Leuten zu Gast bin, versuche ich mich ihren Gepflogenheiten anzupassen. Obwohl ich an diesem Abend völlig erschöpft war, saß ich da und rührte mich nicht von der Stelle. Nach einiger Zeit entschuldigte sich Älia Camilla und ging hinaus. Das Baby und ihr Töchterchen nahm sie mit. Ich sah, wie mein Gastgeber seiner Frau mit den Augen folgte. Wenig später verschwand auch er. Helena Justina und ich blieben allein zurück.
    Wenn ich behaupten würde, unsere Blicke wären einander begegnet, würde man wohl die falschen Schlüsse ziehen. Es war einfach so, daß ich sie ansah. Das ist schließlich das Nächstliegende, wenn ein Mann mit einer Frau in einem stillen Zimmer allein gelassen wird. Übrigens starrte sie mich ebenfalls an. Ich hatte keine Ahnung, warum.
    Ich weigerte mich, den Mund aufzumachen; die zänkische Senatorentochter indessen begann zu spotten.
    »Didius Falco, kommt Ihnen diese Reise nicht irgendwie sinnlos vor?«
    Ich hockte noch immer auf meinem Schemel und wartete darauf, daß sie sich klarer ausdrückte. Sie nahm keine Rücksicht auf meine Wißbegier.
    »Vielleicht«, sagte ich schließlich und starrte zu Boden. Unsere Auseinandersetzung schwelte weiter, bis ich hinzufügte: »Hören Sie, Verehrteste, ich werde Sie nicht fragen, was mit Ihnen los ist, weil mich das, offen gestanden, nicht interessiert. Mit unfreundlichen Frauen hat man in meinem Beruf immer wieder zu tun. Ich kann diese Gegend nicht ausstehen, aber ich bin mit einem gefährlichen Auftrag gekommen, weil Ihr Vater und ich nur so weiterkommen können.«
    »Eine gute Rede, wenn sie denn von einem aufrichtigen Mann käme!«
    »Dann ist es eine gute Rede.«
    »Lügen, Falco! Lauter Lügen.«
    »Das müssen Sie mir schon genauer erklären. Sie halten mich für überflüssig. Dagegen kann ich nichts machen; ich tue mein Bestes.«
    »Ich würde gern erfahren«, höhnte die Senatorentochter, »ob Sie Ihren Auftrag aus reiner Gewinnsucht so überziehen und bis in diese entlegenen Regionen ausdehnen oder um den Fall in Rom absichtlich zu sabotieren. Sind Sie ein Verräter, Falco, oder verschwenden Sie hier nur Ihre Zeit?«
    Entweder war ich begriffsstutzig, oder sie war verrückt.
    »Was soll das heißen?«
    »Sosia Camillina hat einen der Männer, die sie entführt haben, in ein Haus gehen sehen, das sie kannte. Sie hat es mir geschrieben – allerdings ohne zu sagen, wessen Haus es war. Aber Ihnen, so schrieb sie mir, hat sie es gesagt!«
    »Nein!« sagte ich.
    »Doch.«
    » Nein! «Ich war außer mir. »Vielleicht wollte sie es mir sagen –«
    »Nein, sie schrieb, sie habe Ihnen alles gesagt.«
    Wir schwiegen beide.
    Irgend etwas mußte schiefgegangen sein. Sosia war sprunghaft und nervös, aber bei aller Unerfahrenheit

Weitere Kostenlose Bücher