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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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streckte. Zum erstenmal seit drei Monaten war ich völlig allein.
    »Hallo, Marcus!« sagte ich, so als würde ich einen Freund begrüßen.
    Ich stand da und dachte nach. Es wäre ein günstiger Augenblick zur Flucht gewesen, aber sie hatten mich nur deshalb allein zurückgelassen, weil das Hochland im tiefen Winter zu abgelegen war. Wer in dieser Jahreszeit davonzulaufen versuchte, den fand man im nächsten Frühjahr als Leiche zusammen mit erfrorenen Rindern und ertrunkenen Schafen in irgendeiner Senke wieder. Bis zu den Schluchten konnte ich es schaffen, aber was sollte ich dort?
    Außerdem wollte ich immer noch wissen, wie die Barren weiterbefördert wurden.
    Der Regen hörte auf. Es wurde kälter. Ich beschloß, etwas zu unternehmen. Ich umschlang die Barren, einen nach dem anderen, mit beiden Armen und schleppte sie tief gebückt durch den Graben so weit wie möglich von der Straße weg. Dann scharrte ich ein Loch in den nassen Boden. Als ich sie hineinwuchtete, fiel mir auf, daß nur einer der Barren die vier Stempel trug, die anzeigten, daß er noch Silber enthielt. Triferus betrog also auch die Verschwörer: sie versuchten, die Prätorianer mit Blei zu bestechen, mit einfachem Blei für Wasserrohre! Wenn wir das den Prätorianern sagten, würden die Verschwörer Schwierigkeiten bekommen, und Vespasian war in Sicherheit.
    Ich vergrub die vier Barren und kennzeichnete die Stelle mit einem Steinhaufen. Dann machte ich mich zu Fuß auf den Weg zurück zu den Minen.
    Acht Meilen. Reichlich Zeit, mich von meiner eigenen Dummheit zu überzeugen. Um in Bewegung zu bleiben, unterhielt ich mich ausgiebig mit meinem Bruder Festus. Nicht, daß das geholfen hätte. Auch Festus hielt mich für einen Dummkopf.
    Daß ich mich mit einem toten Helden unterhielt, klingt vielleicht seltsam. Aber Festus war ein faszinierender Mensch gewesen, und schon zu seinen Lebzeiten hatte ich oft einfach vom Boden abgehoben, wenn ich mich mit ihm unterhielt. Hier draußen unter dem verquollenen Himmel, während ich als eisiger Punkt auf einer tristen Hochebene aus freien Stücken zurück in die Sklaverei zog, wirkte ein Gespräch mit Festus jedenfalls sehr viel wirklichkeitsnäher als die wüste Welt, in der ich unterwegs war.
    Einen halben Tag später, auf dem letzten Wegstück, bog ich von der Straße ab und nahm einen Pfad, der eine große Kurve abkürzte. Römische Straßen sind immer gerade, außer wenn ein besonderer Grund dagegenspricht. Auch für diese Kurve gab es einen Grund: sie umging die Schächte eines aufgelassenen Bergwerks. Während ich durch brusthohes, verdorrtes Farnkraut stolperte, verlor ich plötzlich den Halt. Auf dem mit Rauhreif bedeckten Boden glitt ich aus, rutschte auf dem Rücken den Abhang hinunter und stürzte in einen der Schächte. Während meiner Rutschpartie war ich irgendwo mit der Ferse hängengeblieben. Zuerst tat nichts weh. Aber als ich herausklettern wollte, sagte mir der bohrende Schmerz sofort, was los war. Ich hatte mir das Bein gebrochen. Festus meinte, so etwas könnte auch nur mir passieren.
    Ich lag auf dem Rücken, starrte in den kalten Himmel und revanchierte mich bei meinem heroischen Bruder mit ein paar Wahrheiten, die ihm nicht gefielen.
    Es fing an zu schneien. Undurchdringliche Stille breitete sich aus. Wenn ich hier liegenblieb, war es aus mit mir. Ich hatte dann vielleicht gebüßt für das, was Sosia zugestoßen war, aber außer dem herausgeschmuggelten Bericht – falls Rufrius Vitalis den Prokurator überhaupt auftreiben konnte –, hatte ich nichts erreicht. Zu sterben, ohne meine Geschichte erzählen zu können, hätte alles, was ich erduldet hatte, sinnlos gemacht.
    Der Schnee fiel mit unbarmherziger Sanftheit. Ich hatte mich warm gelaufen, aber während ich auf dem Boden lag, konnte ich spüren, wie die Wärme aus meinem Körper wich. Ich redete; aber jetzt antwortete niemand.
    Besser einen Versuch machen, auch wenn er schiefging. Ich schiente mein Bein, so gut es ging. Ich fand einen alten Holzpflock und band ihn mir mit der Schnur aus Ziegenhaar, die ich als Gürtel getragen hatte, an die Wade. Es war nicht perfekt, aber es hielt mich aufrecht.
    Ich schleppte mich vorwärts. Zurück nach Vebiodunum. Ich würde dort zu nichts nutze sein, aber ich konnte nirgendwo anders hin.
    Jemand – eine Bekannte von mir – hat mich später gefragt, warum ich nicht bei den Soldaten im Lager Zuflucht gesucht hätte. Dafür gab es zwei Gründe – oder vielmehr drei. Erstens: Ich hatte

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