Silberschweine
noch einmal an uns vorübergegangen. In letzter Minute wurde noch ein Konvoi zusammengestellt und mit einer bunt zusammengewürfelten Mannschaft losgeschickt. Selbst der Troßführer war ein Ersatzmann. Ich bekam schließlich den vorletzten Wagen zugeteilt. Niemand sagte etwas, aber ich verstand trotzdem.
Wir fuhren zum Militärlager. Ein Dekurio mit vom Sumpffieber geschwollenen Augen kam heraus, ließ seinen Blick über den Konvoi gleiten und stempelte unsere Dokumente. Dann brachen wir auf.
Wegen der Kälte hatten sie grobe Filzmäntel mit spitzen Kapuzen ausgegeben; sogar Fausthandschuhe hatten wir bekommen, damit unsere klammen Hände die Zügel halten konnten. Auf der Hochebene überfiel uns der Wind. Aus dem tiefhängenden, regenschweren Himmel schoß er auf uns herunter, zerrte an unseren Mänteln und war so kalt, daß wir die Augen zusammenkniffen und die Zähne bleckten. Die dunkle Reihe der Wagen kroch die einsame Straße entlang, die an einer Stelle in eine Senke abtauchte. Dort kamen die Maultiere auf dem Schneematsch ins Rutschen, so daß wir absteigen, sie führen und die Steigung hinauf im schneidenden Wind sogar mit anschieben mußten. Weiter führte der Weg durch graues Land, in dem hier und da aus dem Dunst niedrige Hügelgräber vergessener Könige auftauchten und wieder verschwanden.
Als wir anhielten, um die Dokumente fälschen zu lassen, waren wir so durchgefroren, daß die gemeinsam ertragenen Qualen den Unterschied zwischen Aufsehern und Sklaven zu verwischen begannen. Der korrupte Schreiber hatte Schwierigkeiten: in seiner Hütte war es zu dunkel, vor der Tür zu windig. Es kam uns wie eine Ewigkeit vor, während wir im Windschatten der Wagen kauerten und warteten. Bis hierher hatten wir schon doppelt so lange wie sonst gebraucht, und am Himmel zeigte sich jetzt ein bedrohliches Gelbgrau, das Schnee verhieß.
Endlich war es soweit, wir konnten weiterfahren. Noch zwei Meilen bis zur Abzweigung an der Grenze. Der Troßführer zwinkerte mir zu. Der Konvoi setzte sich in Bewegung. Mit einer so schweren Ladung war das Anfahren für die Maultiere immer ein Kampf, und heute, bei diesem miserablen Straßenzustand, waren sie noch störrischer als gewöhnlich. Meine Tiere glitten mit ihren Eisenhufen auf dem Schneematsch aus, der sich vor unseren Augen in Eis verwandelte. Sie warfen sich heftig in die Riemen; eine Wagenachse blockierte – sie war vereist. Die verkeilten Hinterräder rutschten zur Seite, die Achse brach, ein Rad gab nach, plötzlich kippte der Wagen nach hinten weg, die Maultiere schrien und bäumten sich auf, ich fuhr von meiner Bank hoch – und fand mich im nächsten Augenblick auf der Straße wieder; die Ladung schlidderte in einen Graben neben der Straße, der Wagen sackte zur Seite. Eines der Maultiere hatte sich so schwer verletzt, daß wir ihm die Kehle durchschneiden mußten, das andere hatte die Zugriemen zerrissen und war davongaloppiert.
Aus irgendeinem Grund gaben alle mir die Schuld.
Nun entspann sich eine lange Diskussion wegen meiner in Unordnung geratenen Ladung.
Wenn wir die Barren nach Abona schafften, mußten die Papiere noch einmal umgeschrieben werden. Außerdem hätten einige Wagen fünf Barren laden müssen. Im übrigen waren meine Barren etwas Besonderes: gestohlene Schweine, die an Fremde verkauft werden sollten, gestohlene Schweine, die ihr Silber noch enthielten. Sie waren nicht für Abona bestimmt! Der zweite Wagen, der nach Süden fahren sollte, konnte unmöglich acht Barren transportieren. Nach endlosen Streitereien, wie sie von Männern ausgefochten werden, die es nicht gewohnt sind, Probleme zu lösen, und schon gar nicht, wenn sie an einem trüben Tag in schneidender Kälte im Freien herumstehen, wurde beschlossen, meine Ladung hier zurückzulassen und sie auf der Rückfahrt wieder nach Vebiodunum hineinzuschmuggeln.
Ich erklärte mich bereit, sie zu bewachen.
Nachdem sich alle auf den Weg gemacht hatten, wurde es furchtbar still. Die wenigen Hütten wurden im Sommer von einheimischen Hirten benutzt. Jetzt standen sie leer. So hatte ich zumindest einen Unterschlupf, aber als das Wetter immer schlechter wurde, kam mir der Gedanke, daß meine Gefährten, wenn es stark schneien würde, so schnell nicht wiederkommen würden. Vielleicht würde ich hier ohne etwas zu essen lange Zeit festsitzen. Über der Hochebene lag dunstige Nässe, die weder niedersank noch niederfiel, aber in meinem Gesicht haftenblieb, sobald ich den Kopf nach draußen
Weitere Kostenlose Bücher