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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Die berittenen Spezialkuriere schaffen fünfzig Meilen am Tag. Wir stuften uns als weniger eilige Fracht ein und nahmen den offiziellen Reisewagen: vier Räder an klobigen Achsen, hohe Sitze, Maultierwechsel alle zwölf Meilen und nach der doppelten Distanz Verköstigung und Unterkunft – alles auf Kosten der Einheimischen, dank unseres Passes. Unterwegs froren wir erbärmlich.
    Wir schlossen ein Stillhalteabkommen; es ging nicht anders. Der Weg war zu weit für unablässiges Gezänk. Daß ich etwas von meinem Beruf verstand, sah sie; und ich sah, daß sie sich benehmen konnte, wenn sie nur wollte. Wenn wir unterwegs anhielten, blieb sie in Sichtweite, und auch wenn sie mit mir kaum ein Wort wechselte, gab es ihretwegen doch keinen Ärger mit Dieben, Wüstlingen oder lästigen Gastwirten. Die Dorftrottel und Bettler an den Brücken warfen einen Blick nach ihrer Kinnlade – und trollten sich.
    Alle Kuriere und Fahrer meinten, ich würde mit ihr schlafen. Aber damit hatte ich gerechnet, und an der Art, wie sie sich versteifte, wenn sie mit ihnen sprach, erkannte ich, daß auch sie wußte, was die Leute dachten. Wir vermieden das Thema. Daß es Leute gab, die mich für Helena Justinas Liebhaber hielten, fand ich überhaupt nicht komisch.
    In der großen Garnisonsstadt Argentoratum am Rhein besuchten wir Helenas jüngeren Bruder, der dort stationiert war. Ich verstand mich gut mit ihm: die Brüder grimmiger Schwestern finden meist leicht zueinander. Das Essen, das der junge Camillus für uns veranstaltete, war der einzige Lichtblick auf der ganzen grauenhaften Reise. Nachher nahm er mich beiseite und erkundigte sich besorgt, ob denn überhaupt jemand daran gedacht habe, mich für meine Dienste als Helenas Begleiter zu bezahlen. Ich gestand, daß ich in diesem Fall sogar Doppelverdiener sei. Als sein Lachen verebbt war, zogen wir los, das Nachtleben der Stadt erkunden. Im Laufe des Abends vertraute er mir an, seine Schwester habe ein tragisches Leben gehabt. Ich lachte nicht; er war jung, ein lieber Kerl, und außerdem sturzbetrunken.
    Sie schien ihren Bruder gernzuhaben. Das war in Ordnung. Was mich jedoch amüsierte, war seine Zuneigung zu ihr.
    Als wir in Lugdunum das Schiff bestiegen, das uns den Rhodanus hinunterbringen sollte, wäre ich fast ins Wasser gefallen. Wir hatten das Schiff schon so gut wie verpaßt: das Fallreep war eingezogen, und das Boot hatte abgelegt, aber die Mannschaft hielt es für uns mit Enterhaken am Ufer, so daß wir noch aufspringen konnten, wenn wir wollten. Ich schleuderte unser Gepäck in hohem Bogen über die Reling. Da keiner der am Kai herumstehenden Flußmenschen Anstalten machte, uns zu helfen, ging ich in die Grätsche und stand nun mit einem Fuß auf Deck, mit dem anderen an Land – als menschliches Geländer, an dem sich die mir anbefohlene Dame hinüberhangeln konnte.
    Helena war keine Frau, die lange zögerte. Ich streckte ihr beide Arme entgegen. Sie packte tapfer zu, und ich hievte sie an Bord. Sofort hoben die Bootsleute ihre Enterhaken, der Spalt zwischen Ufer und Bordwand verbreiterte sich, ich hing dazwischen und machte mich schon auf die eiskalten Fluten des Rhodanus gefaßt, als Helena sich umdrehte, erkannte, was los war, und meinen Arm ergriff. Einen Moment lang hing ich noch im Spagat, dann packte sie fester zu. Ich stieß mich vom Ufer ab und polterte auf das Deck.
    Mir war die Sache äußerst peinlich. Die meisten Leute hätten sich wahrscheinlich angegrinst. Aber sie wandte sich wortlos ab.
     
    Vierzehnhundert Meilen: endlose, qualvolle Tage, und dann die Nächte in immergleichen, immer fremden Gasthöfen voller grauenhafter Männer. Aber sie beklagte sich nie. Schlechtes Wetter, Frühjahrshochwasser, die Kuriere ein hochnäsiges Pack, und obendrein auch noch ich. aber von ihr kein Seufzer. Als wir Massilia erreicht hatten, war ich ziemlich beeindruckt.
    Außerdem machte ich mir Sorgen. Sie wirkte erschöpft; ihre Stimme klang flach und tonlos. Der Gasthof war total überfüllt, und ich wußte inzwischen, wie sehr sie dieses Getümmel haßte. Ich ging zu ihrem Zimmer und wollte sie zum Abendessen abholen. Sie war unwillig, zauderte und behauptete, sie habe keinen Hunger, aber schließlich schaffte ich es mit meinem fröhlichen Gesicht doch, sie vor die Tür zu locken.
    »Geht es Ihnen gut?«
    »Ja, ja, regen Sie sich ab, Falco!«
    »Sie sehen ein bißchen mitgenommen aus.«
    »Es geht mir gut.«
    Ich legte ihr ein Wolltuch um die Schultern; für doppeltes

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