Silberschweine
rühren. Und jetzt, da ich diese Liste in Händen halte, neige ich dazu, sie untereinander abrechnen zu lassen –«
Ich sah ihn lange an und sagte dann in spöttischem Ton: » Sie gehen also zum Barbier, um sich das Haar schneiden zu lassen!«
Das dichte Lockenhaar von Titus Cäsar war so weit gestutzt, daß er unter seinem goldenen Lorbeerkranz intelligent aussah, aber immer noch so lang, daß die Pracht seiner Locken zur Geltung kam. Ich hasse gutaussehende Männer, vor allem dann, wenn sie sich ständig nach der Frau umsehen, mit der ich gekommen bin.
»Was soll das heißen, Falco?« fragte Titus und klang nicht belustigt.
»Nach seinen Informationen zu urteilen, ist Ihr Barbier ein Spitzbube!«
» Falco! «
Das war Helena, die versuchte, mich vor einem erneuten Fauxpas zu retten, aber ich ließ nicht locker.
»Aus zwei Gründen hat er unrecht, und der Umstand, daß gewisse Leute es für nötig hielten, Pertinax zum Schweigen zu bringen, sollte Sie von der Richtigkeit dieser These überzeugen.«
Mit einer sanften Geste ermunterte mich Titus, fortzufahren.
»Cäsar, wir können es uns nicht leisten, diese Verräter laufen zu lassen. Auch wenn Triferus sie betrügt, haben sie große Mengen von kaiserlichem Silber beiseite geschafft, das Ihr Vater dringend braucht. Der andere Grund ist, mit Verlaub, ein kluge, blonde, dem Kaiser treu ergebene Sechzehnjährige mit Namen Sosia Camillina.«
Helena Justina sah mich so beharrlich an, daß mir ganz merkwürdig zumute wurde. Aber ich ließ mich von beiden nicht beirren.
Titus Cäsar fuhr sich mit beiden Hände durch das gepflegte Haar.
»Sie haben vollkommen recht. Mein Barbier ist ein Spitzbube«, sagte er.
Er sah mich einen Moment lang an.
»Man unterschätzt Sie, Falco.«
»Man hat auch Vespasian sechzig Jahre lang unterschätzt!«
»Einige Dummköpfe tun das noch immer. Ich will Ihnen jetzt seine Anweisungen weitergeben.«
Sie hatten versucht, mich einzuwickeln. Titus wollte mich beiseite schieben und hätte am liebsten die Untersuchungen gegen Domitian einschlafen lassen, aber ich sah, daß er eine Rede vorbereitet hatte für den Fall, daß dieser Versuch scheiterte. Mit ernster Miene beugte er sich vor.
»Lassen Sie bei Ihren Untersuchungen den Namen meines Bruders aus dem Spiel. Finden Sie das Silber – und den Mörder dieses unschuldigen Mädchens. Und vor allem: finden Sie den Mann, der das alles geplant hat.«
Ich erkundigte mich nach der Möglichkeit einer Honorarerhöhung; er erklärte, für dieselbe Untersuchung würde auch dasselbe Honorar gezahlt. Als Verfechter logischen Denkens, der ich seit jeher war, stimmte ich zu.
»Aber Domitian kann ich nicht auslassen –«
»Sie müssen«, erwiderte Titus barsch.
Plötzlich raschelte der Vorhang hinter uns. Ich wollte mich gerade umdrehen und sehen, wer da hereingekommen war, als der unangemeldete Besucher eine Melodie zu pfeifen begann, die ich sofort erkannte.
Es war ein Liedchen über Vespasian, über Titus, über Berenike. Die Soldaten sangen es leise und lüstern gegen Ende der Nacht. Sie sangen es in Kneipen und Bordellen, mit Neid und mit Zustimmung, aber mir war noch nie ein Soldat begegnet, der gewagt hätte, es hier im Palast zu wiederholen. Der Text lautete so:
Ja, der Alte – lächelte!
Und der Junge – lächelte!
Doch die Judenkönigin
Hatte nur die eine Qual
Nämlich die der Wahl
Als der Alte
Und der Junge – lächelten!
Nur einer konnte es wagen, in Gegenwart eines Cäsars in dieser unverschämten Weise zu pfeifen: ein anderer Cäsar. Vespasian führte den Vorsitz bei seinem Bankett. Also wußte ich, wer der unangemeldete Besucher sein mußte.
Domitian, der jüngere Bruder von Titus Cäsar: der kaiserliche Playboy, der in unsere Verschwörung verwickelt war.
XLIV
»Muß ein interessanter Wettstreit gewesen sein, Bruder!«
»Das Leben besteht nicht nur aus Wettstreit«, meinte Titus gelassen.
Auf Domitian schien der Ehrentitel Cäsar nicht recht zu passen. Er besaß die Locken der Familie, das kantige Flavier-Kinn, den Stiernacken, die breiten Schultern, den stämmigen Körper. Trotzdem wirkte er nicht überzeugend. Er war zehn Jahre jünger als Titus, was sowohl seinen Unmut gegen den Älteren als auch dessen Nachsicht gegen den jüngeren Bruder erklärte. Mit seinen zwanzig Jahren hatte er noch sanfte, engelhafte Gesichtszüge.
»Entschuldigung!« rief er. Mein erster Eindruck war, daß auch er über die entwaffnende Direktheit seines Bruders
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