Silberschweine
merkte, wie sie aufatmete, nachdem er gegangen war.
»Ein Freund von Ihnen?«
»Nein. Ich bin mit seiner Frau befreundet!«
»Sie brauchen nur zu nicken, wenn ich verschwinden soll.«
»Vielen Dank!« murmelte sie düster.
Ich setzte mich zu ihr auf den Rand des Brunnenbeckens und brummelte vor mich hin: »Komisch, nach einer Scheidung ist es, als würde die Frau mit einem Schild um den Hals herumlaufen, auf dem nur ein Wort steht: ›Verfügbar‹.«
Es war einer jener seltenen Augenblicke, in denen sie mich etwas von ihrer inneren Anspannung ahnen ließ.
»Ist denn das üblich? Ich komme mir langsam schon fast verschroben vor!« Ich sah ihre Sänfte kommen, deshalb lächelte ich nur. »Didius Falco, würden Sie mich bitte nach Hause begleiten?«
»Aber gern! Rom bei Nacht! Ist denn in Ihrer Sänfte überhaupt noch Platz für mich und meinen Goldsack?«
Das Abendessen bei den Cäsaren hatte mich übermütig gemacht. Aber sie nickte einfach und sagte den Trägern, daß ich mitkommen würde.
Wir zwängten uns hinein und setzen uns schräg, so daß unsere Knie nicht aneinanderstießen. Die Träger zogen los, an der Nordseite des Palatin hinab. Sie gingen langsam, wegen des zusätzlichen Gewichts. Es war noch nicht ganz dunkel.
Helena Justina machte ein so unglückliches Gesicht, daß ich mir die Bemerkung nicht verkneifen konnte: »Denken Sie nicht an das, was Pertinax geschehen ist!«
»Nein.«
»Und reden Sie sich nicht ein, er habe es bedauert, als Sie sich von ihm scheiden ließen –«
»Nein … Schluß damit, Falco!« Ich lehnte mich zurück in meine Ecke und biß mir auf die Lippe. Sie entschuldigte sich: »Sie sind so leidenschaftlich, wenn Sie Ratschläge geben! Hatte Ihr Heldenbruder eigentlich eine Frau?«
»Ja, eine Freundin – und ein Kind, von dem er nie erfahren hat.«
»Marcia!« rief sie und fuhr mit veränderter Stimme fort: »Ich hatte gedacht, sie wäre Ihr Kind.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, daß sie es nicht ist!«
»Ja, schon.«
»Ich belüge Sie nicht!«
»Nein. Ich bitte um Verzeihung … Wer kümmert sich denn jetzt um die beiden?«
»Ich.«
Ich war kurz angebunden und rückte unruhig hin und her, aber das hatte nichts mit unserem Gespräch zu tun. Wir waren schon bis zum Forum gekommen, ehe ich mir ganz sicher war: verstohlene Schritte folgten uns, in immergleichem, viel zu geringem Abstand.
»Was ist denn, Falco?«
»Wir werden verfolgt. Die ganze Strecke, vom Palast herunter –«
Ich klopfte gegen das Dach und sprang nach draußen, sobald die Sänfte anhielt. Helena Justina war hinter mir, noch bevor ich ihr die Hand reichte. Ich griff nach dem Goldsack meiner Mutter und bugsierte Helena von der Straße herunter in den Eingang der nächstbesten Spelunke, als wäre sie irgendeine gelangweilte Dame der Gesellschaft, die sich von mir gegen Bezahlung die Niederungen des römischen Nachtlebens vorführen ließ.
Im schummrigen Licht des winzigen Vorraums wirkte sie dann so aufgekratzt, daß ich mich fragte, ob sie nicht genau das wollte.
XLV
Über dem Eingang ragte neben einem Begrüßungsspruch der Kopf einer stupsnasigen Venus mit aufgeblasenen Backen aus der Wand, und darunter kassierte ein riesiger Kerl ein riesiges Eintrittsgeld. Es war ein Bordell. Ich konnte nichts dafür. Jedenfalls waren wir von der Straße herunter; warm und dunkel war es hier drinnen, und Helena fühlte sich in ihrer abgrundtief schlechten Meinung von mir zweifellos bestätigt.
Das Eintrittsgeld mußte ich aus eigener Tasche zahlen. Auch wenn sie meine Klientin war – dafür, daß ich sein zartes Töchterlein an einen derart verruchten Ort brachte, konnte ich den Senator nicht gut zur Kasse bitten.
Die Inhaber dieses Etablissements verdienten einen schmalen Lebensunterhalt mit der Unzucht und ein kleines Vermögen mit Taschendiebstahl und dem Verkauf gestohlener Kleider. Es gab einen einzigen höhlenartigen Raum. An den Seiten war er durch zwischen Holzstangen aufgespannte Felle in kleine Kabinen aufgeteilt, in denen das Rauben, Morden und Betrügen ungestört vor sich gehen konnte. Für die übrigen Spielarten des zwischenmenschlichen Verkehrs stand auch jedes andere dunkle Plätzchen zur Verfügung, soweit es nicht schon besetzt war.
Im Schein der Fackeln, begleitet von Kastagnettengeklapper, lief gerade eine Varietévorstellung. Drei junge Mädchen mit dünnen Armen und unglaublichen Busen tollten auf einer Matte herum und zeigten dabei ein Lächeln, das noch straffer saß als
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