Silberschweine
großzügig, aber danach hat er ein neues Testament gemacht.«
»Haben Sie mit ihm darüber gesprochen?«
»Nein. Aber mein Onkel war einer der Zeugen.«
»Haben Sie seit Ihrer Rückkehr aus dem Ausland mit Atius Pertinax gesprochen?«
»Nein.«
»Können Sie mir dann sagen, warum Sie gestern sein Haus aufgesucht haben?«
Der Sohn des Kaisers hielt Überraschungen von der gleichen Art bereit, wie auch ich sie gern benutzte. Urplötzlich war aus dem Austausch von Höflichkeiten ein Verhör geworden. Helena antwortete ihm gelassen, obwohl diese Wendung der Ereignisse sie sicherlich unvorbereitet getroffen hatte.
»Ich kenne ihn ja gut und wollte ihn mit unseren Vermutungen konfrontieren. Aber seine Leute sagten mir, er sei nicht zu Hause.«
»Nein.« Er war zu der Zeit schon im Mamertinischen Gefängnis, tot. Jetzt sah Titus zu mir herüber. »Und warum sind Sie zu ihm gegangen, Falco?«
»Ich wollte zur Stelle sein, falls der Mann grob werden würde.«
Er lächelte und wandte sich wieder an Helena; sie hatte sich so schnell zu mir umgedreht, daß die getriebenen Goldplättchen ihrer Ohrringe in klangvollem Rieseln erzitterten. Ich übersah ihren vorwurfsvollen Blick und war bereit einzuschreiten, falls Titus zu weit gehen würde.
»Das Testament von Pertinax hat einen Nachtrag«, verkündete er jetzt. »Dieser Vorschlag wurde erst gestern geschrieben, vor neuen Zeugen. Das verlangt nach einer Erklärung.«
»Ich weiß davon nichts«, sagte Helena.
»Ist das nötig, Cäsar?« unterbrach ich vorsichtig. Sein Kinn schob sich noch weiter nach vorn, aber ich ließ nicht locker. »Ich bitte um Verzeihung, aber eine Frau vor Gericht darf erwarten, daß ein Freund für sie spricht.«
»Ich denke, Helena Justina kann für sich selbst sprechen!«
»Allerdings, das kann sie!« entgegnete ich mit leichtem Grinsen. »Vielleicht sollten Sie gerade deshalb lieber mit mir verhandeln!«
Sie saß schweigend da, wie es einer Frau geziemt, wenn Männer über sie sprechen. Ihre Augen ruhten auf mir, und mir gefiel das. Der jugendliche Cäsar schien weniger entzückt.
»Ihre Dame steht nicht vor Gericht«, meinte Titus ruhig, aber ich sah, daß ich ihn gebremst hatte. »Falco, ich dachte, Sie würden für uns arbeiten! Bezahlen wir etwa nicht genug?« Einem Mann, dessen Herz für die schönste Frau der Welt entbrannt ist, muß man gelegentliche romantische Anwandlungen wohl nachsehen.
»Offen gesagt, Ihre Honorare sind eher bescheiden«, antwortete ich, ohne mit der Wimper zu zucken.
Er lächelte. Jeder wußte, daß Vespasian knausrig war.
»Leider ist der neue Kaiser bekannt dafür! Er braucht vierhundert Millionen Sesterzen, um das Reich zu neuem Wohlstand zu führen, und auf seiner Prioritätenliste stehen Sie irgendwo zwischen dem Wiederaufbau des Jupitertempels und der Trockenlegung des großen Teiches in Neros Goldenem Haus. Er wird erleichtert sein, wenn er hört, daß Helena Justina Sie vor dem Hungertod bewahrt! Nun denn, Didius Falco, so will ich Ihnen als ihrem Freund vor Gericht mitteilen, daß Helena von ihrem früheren Mann ein recht ungewöhnliches Erbe hinterlassen worden ist.«
»Nach meinen Erfahrungen ist alles, was diese Eiterbeule irgendwo hinterläßt, ungewöhnlich. Worum handelt es sich denn?«
Titus nagte an seinem Daumen.
»Um den Inhalt eines Gewürzlagers in der Granatgasse.«
XLIII
Ich ließ mir meine Erregung nicht anmerken und überlegte rasch.
»Was mag er sich dabei gedacht haben, Cäsar?«
»Ich habe Männer losgeschickt, die das herausfinden sollten.«
»Und was haben Sie gefunden?«
»Nichts, was uns interessiert, aber die Dame wird dort eine Vorratskammer voller Gewürze und so viel Parfüm finden, daß sie an jedem Tag ihres Lebens wie Kleopatra darin baden kann.« Er wandte sich ihr zu und fragte in verändertem Ton: »Helena Justina, überrascht Sie dieses Vermächtnis? Pertinax hatte keine Angehörigen, außer seinem Adoptivvater; vielleicht hat er Ihnen aus der Zeit Ihrer Ehe doch seine Zuneigung bewahrt.«
Es überraschte sie tatsächlich. Ich verhielt mich still; zur Lösung der Frage, ob Pertinax noch etwas für sie empfunden hatte – oder ob sie sich das wünschte –, konnte ich nichts beitragen.
Aber Titus ließ nicht locker.
»Der Besitz eines Verräters fällt für gewöhnlich an den Staat – aber in Anerkennung Ihres Beistandes wünscht mein Vater, daß Sie dieses Erbe antreten. Zu gegebener Zeit werden Sie Zugang erhalten –«
Sie runzelte die Stirn.
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