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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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dem Zwölften Bezirk näherten, hielt ich an. Nach Atem ringend, schoben wir uns in eine schmale Gasse, wo uns niemand sehen konnte. Helena lehnte mit dem Rücken an einer fensterlosen Wand, ich stand vor ihr, einen Arm auf die Wand gestützt, sah mich um und horchte. Nach einiger Zeit ließ ich den Arm sinken und setzte meinen Goldsack vorsichtig auf den Boden. Man hörte nur das dumpfe Stampfen des Straßenlärms jenseits der umliegenden Gebäude, und plötzlich kam es mir hier geradezu friedlich vor. Wir standen in einem Tümpel von Stille: ich, die Tochter des Senators, die Silhouette einer Eule auf einem Dachfirst und der Geruch von alten Bohnenschalen, der aus einem Misthaufen herüberdrang. Für jemanden, der dicke Bohnen mag, wäre es ziemlich romantisch gewesen.
    »Die sind wir los!« flüsterte ich. »Macht Ihnen der Ausflug Spaß?«
    Sie lachte fast lautlos. »Hundertmal besser als am Brunnen zu sitzen und den Sklavenmädchen beim Häkeln zuzusehen!«
    Ich wollte gerade etwas tun – oder jedenfalls sagen –, als sich in der Stille, die ich für meine Worte vorgesehen hatte, ein anderer Halunke zu Wort meldete.
    »Herrlich, diese etruskische Kette, meine Liebe! Mit so was auf der Straße herumzulaufen ist gefährlich. Geben Sie den Flitter lieber mir!«

XLVI
    Helena Justina trug selten viel Schmuck, aber an diesem Abend hatte sie ihre besten Stücke angelegt. Auch im Dunkeln spürte ich ihre Angst.
    »Was soll ich tun?« fragte sie mich leise.
    »Tun Sie, was er sagt. Groß ist er nicht, aber bewaffnet.«
    Ich hatte in der Schwärze der Nacht einen noch schwärzeren Schatten entdeckt, rechts von mir, zwei Meter entfernt. Die gezückte Klinge ahnte ich nur. Ich schob das Mädchen nach links. Die Stimme lachte verächtlich: »Macht sich den Schwertarm frei – wenn er jetzt bloß ein Schwert hätte! Los, Gnädigste, her mit dem Zeug!«
    Hastig löste Helena ihre glitzernden Ohrringe, streifte von jedem Arm einen mit Pantherköpfen verzierten Reif und nahm ihr Diadem aus dem Haar. Sie hatte jetzt die Hände voller Schmuck und bekam deshalb den Verschluß ihrer Halskette nicht auf.
    »Lassen Sie mich mal!« sagte ich.
    »Viel Übung, wie?« lachte der Dieb.
    Er hatte recht; ich hatte schon die eine oder andere Halskette geöffnet. Ich kam damit zurecht. Die Haut an ihrem Hals war geschmeidig und von der Lauferei erhitzt. Woher ich das weiß? Nur ein Dummkopf nimmt einer Dame die Kette ab, ohne ihren Hals zu streicheln.
    »Die dreizehnte Arbeit des Herkules!« antwortete ich höflich und ließ das luftige Goldgeklingel in ihre Hand fallen.
    Eine knochige Pfote nahm es ihr ab. Dann knurrte er mich an: »Deinen Ring auch!«
    Ich seufzte. Außer diesem Ring hatte ich nie im Leben etwas geerbt, nur Schulden. Ich warf ihm den Siegelring meines Großonkels zu.
    »Dankeschön, Falco!«
    »Der kennt Sie ja!« Helena klang verärgert.
    Wahrscheinlich irgendein Mistkäfer vom Aventin. Aber ich kannte ihn nicht.
    »Es gibt viele Leute, die mich kennen, aber nicht viele, die den Siegelring meines Onkels Scaro klauen würden!«
    Helenas Körper straffte sich, als erwartete sie, daß ich im nächsten Augenblick eine versteckte Waffe ziehen und auf den Schurken losgehen würde. Vespasian ließ zwar, um zu demonstrieren, daß ruhigere Zeiten angebrochen waren, nicht mehr jeden Gast von den Prätorianern durchsuchen, aber so verrückt war ich nicht, mit einem Dolch im Gewande in den Palast zu gehen. Es gab nichts, womit ich auf den Kerl hätte losgehen können.
    Aber plötzlich verlor unser Dieb jegliches Interesse an uns. Auch ich horchte in die Runde und wußte sofort, warum. Den Pfiff erkannte ich; der Mistkäfer verschwand und mit ihm seine Beute.
    Ein Mann mit einer lodernden Fackel bog um die Ecke.
    »Wer da?«
    »Ich – Falco!« Ein zweiter war dicht hinter ihm. »Petro, bist du’s?«
    »Falco? Wir sind hinter Melitus her, diesem Wicht – hat er dir irgendwas abgenommen?«
    »Schmuck. Gut, daß ihr gekommen seid; ich hatte nämlich auch noch einen Sack Gold dabei!«
    »Die Sache wird weiterverfolgt – was hattest du dabei?«
    »Einen Sack Gold.«
    Während wir sprachen, war Petronius Longus langsam näher gekommen.
    Im Schein der Fackel, die sein Begleiter hielt, erblickte er zuletzt auch meine Najade.
    »Falco! Das ist ja Irreführung der Behörden.« explodierte er. Er packte den Fackelträger am Arm und hielt die Fackel höher, um besser sehen zu können. Von nun an hatte er keine Augen mehr für mich. Helena

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