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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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mir wünschte, kam aber nicht.
    Als meine Mutter hinter mir vorbeiging, wuschelte sie mir durchs Haar und strich es dann wieder glatt. Wenn sie an mir verzweifelte, konnte ich nichts dagegen machen; ich war selbst tief verzweifelt.
    Ich setzte mich auf den Balkon und tat so, als würde ich philosophieren. Da hörte ich an der Wohnungstür leichte Schritte. Jemand klopfte und trat ein, ohne abzuwarten. Erwartungsvoll war ich aufgesprungen und sah nun durch die Balkontür zu, wie meine wunderbare Mutter in meinem Zimmer eine junge Frau musterte.
    Für meine Mutter war es keine Begegnung von der gewöhnlichen Art. Sie erwartete Fußkettchen aus falschen Korallen und kichernde Konfusion, aber nicht sanften Faltenwurf in gedeckten Farben und diese ernsthaften Augen.
    »Guten Tag. Mein Name ist Helena Justina«, erklärte Helena. Sie wußte ihre Gelassenheit zu bewahren, auch meiner Mutter gegenüber, die gerade mit einer Schale Mandelfüllung und einem fünfundzwanzig Zentimeter langen Ausbeinmesser hantiert. »Mein Vater ist Senator Camillus Verus. Mein Dienstmädchen wartet draußen. Ich hatte gehofft, ich könnte etwas mit Didius Falco besprechen; ich bin eine Klientin.«
    »Ich bin seine Mutter!« erklärte meine Mutter wie Venus, die mit Schaum an den Füßen ihrem Äneas zu Hilfe kommt. (Allerdings glaube ich nicht, daß der fromme Äneas, dieser unerträgliche Langweiler, jemals in den Genuß von Fischen gekommen ist, die seine liebliche Göttermutter eigenhändig entgrätet und gefüllt hat.)
    »Das dachte ich mir«, erwiderte Helena ruhig und freundlich und beäugte das unfertige Abendessen auf dem Tisch, als würde sie gern dazu eingeladen werden. »Sie haben sich einmal meiner Cousine Sosia angenommen; ich freue mich, daß ich Ihnen bei dieser Gelegenheit dafür danken kann.« Dann zog sie ihren Schleier zurecht und verfiel in das demütige Schweigen, das die jüngere Frau, sofern sie Anstand besitzt, gegenüber einer älteren Dame bewahrt.
    »Marcus!« kreischte meine Mutter, von so viel Höflichkeit völlig aus der Fassung gebracht. »Kundschaft!«
    Lässig schlenderte ich herein.
    Meine Mutter ließ den Fischteller verschwinden und verzog sich mit ihrem ausgeprägten Sinn für Diskretion auf den Balkon. Aber ein Opfer war das eigentlich nicht; auch von dort konnte sie lauschen. Ich bot Helena den Klientensessel an, setzte mich an die andere Seite des Tisches und gebärdete mich geschäftsmäßig.
    Unsere Blicke begegneten einander. Und schon war es vorbei mit meiner Schauspielerei. Sie versuchte herauszufinden, ob ich froh war, sie zu sehen; ich beäugte sie ebenso vorsichtig. Im nächsten Moment und genau gleichzeitig leuchteten unsere Augen auf: wir lachten über uns – und saßen dann da, in jenem Schweigen, das alles sagt, und lächelten uns glücklich an.
    »Didius Falco, ich möchte mit Ihnen über Ihre Rechnung sprechen.«
    Ein Auge auf die Balkontür geheftet, ließ ich meine Hand über den Tisch gleiten und berührte ihre Fingerspitzen. Ein elektrisierender Schauer überlief mich und hinterließ eine Gänsehaut auf meinem Arm.
    »Stimmt irgendwas nicht?«
    Sie zog ihre Hand zurück und fragte mit echter Empörung: »Was in aller Welt sind Strittige Posten? Fünfhundert Sesterzen für etwas, das Sie mit keinem Wort erläutern!«
    »Diese Rubrik verwenden manche Buchhalter. Ich gebe Ihnen den Rat: nach Leibeskräften streiten, aber nicht zahlen!« Ich grinste; sie verstand, daß es ein Vorwand war, sie hierherzulocken.
    »Hm! Ich werde es mir überlegen! Ob ich vielleicht mal mit Ihrem Buchhalter sprechen sollte?«
    »Ich habe keinen Buchhalter. Die Hälfte von diesen Leuten beherrscht die Prozentrechnung nur, soweit es um ihren eigenen Anteil geht, und außerdem löffeln schon genug Leute aus meinem Suppentopf, da braucht es keinen glatzköpfigen phönizischen Rechenkünstler samt skrofulösem Schreiber. Wenn Sie soweit sind, sollten Sie lieber direkt mit mir sprechen.«
    Ich sah Helena tief in die Augen. Dieser Blick sollte sie an einen Abend erinnern, den sie besser vergaß. Doch bald brach ich ab, denn mein Herz fing jetzt an zu rasen. Ich fühlte mich so schwach, als hätte ich drei Liter Blut verloren.
    Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, lehnte ich mich zurück und lächelte, weil ich mich darüber freute, sie zu sehen. Darüber freute sie sich und lächelte. Und über dieses Lächeln freute ich mich noch mehr …
    Ich mußte dem ein Ende machen. Das Ganze war ein schrecklicher Fehler.

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