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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Longinus hatten ganz plötzlich Priesterämter bei einem kleineren Tempel am Ionischen Meer geerbt, und dies war vermutlich eine schwerere Strafe als die Verbannung, die unser freundlicher alter Tyrann Vespasian ihnen auferlegt hätte. Aufidius Crispus war unter den Badegästen in Oplontis gesehen worden. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß jemand, der über eine private Münzanstalt verfügte, den Hochsommer freiwillig im Gedrängel der Schickeria in den vornehmen Villen am Golf von Neapel über sich ergehen lassen würde.
    »Was denken Sie?« fragte Decimus.
    »Titus sollte Aufidius beobachten lassen. Oplontis ist nur wenige Tagesreisen von Rom entfernt. Wenn sonst nichts geschieht, fahre ich vielleicht selbst mal hin, aber ich möchte die Stadt nicht verlassen, solange eine Chance besteht, daß wir die Silberschweine noch ausfindig machen. Hat Titus in der Granatgasse etwas gefunden?«
    Er schüttelte den Kopf. »Meine Tochter wird sehr bald Zugang erhalten.«
    Vom Schwimmbecken links neben uns drang ein krachender Platscher herüber, als sich ein Schwimmer mit Übergewicht, aber ohne Eleganz vom Beckenrand in die Fluten stürzte.
    »Ich nehme doch an, daß Sie Helena nicht dorthin gehen lassen«, warnte ich ihn. Ich hätte ihren vollständigen Namen verwenden müssen; aber es war zu spät.
    »Nein, natürlich nicht. Mein Bruder kann das Lager besichtigen; er wird sie beim Verkauf der Gewürze beraten.«
    »Das Gebäude gehört immer noch Marcellus?«
    »Hm. Ihm zuliebe wollen wir es rasch ausräumen, obwohl Helena und der alte Marcellus sich gut verstehen. Er betrachtet sie immer noch als seine Schwiegertochter. Und sie ist sehr charmant mit älteren Herren.«
    Ich lag auf dem Rücken und versuchte mir den Anschein eines Mannes zu geben, dem Helenas Charme entgangen war.
    Ihr Vater sah ebenfalls nachdenklich zur Decke.
    »Ich mache mir Sorgen um meine Tochter«, sagte er. Es durchzuckte mich: Das Pferd hat geplaudert! »Die Verbindung mit Pertinax war mein Fehler; ich nehme an, Sie wissen das. Sie hat mir nie einen Vorwurf daraus gemacht, aber ich werde es mir mein Leben lang vorwerfen.«
    »Sie hat sehr hohe Maßstäbe«, sagte ich und schloß die Augen, als sei ich nach dem Bad ein wenig schläfrig. Ich hörte, wie Decimus sich aufstützte, und blickte zu ihm hinüber.
    Nachdem ich Helena aus der Nähe studiert hatte, entdeckte ich nun im Gesicht ihres Vaters Ähnlichkeiten, die einem anderen wohl entgangen wären. Das widerspenstig hochgesträubte Haar besaß nur er, aber der Gesichtsausdruck, die Rundung der Backenknochen, das ironische Fältchen im Mundwinkel kannte ich von ihr; und manchmal klang auch ihre Stimme ähnlich wie seine. Er beobachtete mich mit jenem scharfsinnigen, belustigten Glitzern in den Augen, das mir schon immer an ihm gefallen hatte. Ich war froh, daß ich den Vater mochte, und dankbar, als mir einfiel, daß ich ihn von Anfang an gemocht hatte.
    »Hohe Maßstäbe«, wiederholte Decimus Camillus Verus und sah mich prüfend an.
    Er seufzte fast unhörbar. »Jedenfalls weiß Helena anscheinend immer, was sie will!«
    Er machte sich Sorgen um seine Tochter; ich vermute, er machte sich Sorgen wegen mir.
    Es gibt Dinge, die können einfache Bürger gegenüber den Eltern einer hochgeborenen, ehrbaren Dame nicht zur Sprache bringen. Wenn ich einem Senator erklärt hätte, daß jeder Fleck, auf dem seine Tochter gestanden hat, für mich ein geweihter Ort war, hätte ihn das nicht beruhigt.
    Zum Glück näherte sich jetzt der Mann aus Tarsus mit einem Handtuch über dem Arm.
    Ich ließ Decimus den Vortritt und hoffte, das große Trinkgeld des Senators werde den Riesen mir gegenüber milder stimmen. Vergebens. Es feuerte ihn nur an.

LI
    An diesem Nachmittag tauchte meine Mutter noch einmal bei mir auf und teilte mir mit, ich müsse den Vorsitz führen, wenn die ganze Familie am nächsten Tag bei Vespasians Triumphzug mit Kind und Kegel eine komplette Tribüne mit Beschlag belegte. Ich wußte, was das bedeutete: Sonnenstiche noch und noch, Schwestern, die einander angifteten, müde Knirpse, die in sinnloser Wut herumblökten – so verbringe ich meine Tage am liebsten. Mama selbst wollte sich abseilen und war mit drei alten Freundinnen auf einem ruhigen Balkon verabredet. Zum Trost hatte sie mir eine große Goldbrasse mitgebracht.
    »Du hast ja aufgeräumt!« brummelte sie. »Wirst endlich erwachsen, wie?«
    »Vielleicht kommt Besuch, bei dem ich Eindruck schinden möchte.«
    Der Besuch, den ich

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