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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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begriffen, daß sie mit diesem wunderbaren, großartigen Menschen die Stütze ihres Lebens verloren hatte.
    Jetzt, da sie mit mir allein war, sprach sie plötzlich aus, was sie dachte. Als ich den Fehler machte, ihn als Helden zu bezeichnen, verhärtete sich ihre Miene. Sie leerte ihren Becher und stellte ihn wütend auf den Tisch zurück.
    »Nein, Marcus«, sagte sie, »dein Bruder war ein Idiot!«
    Und endlich konnte sie weinen, in meinen Armen, und sie wußte, daß ich das stets auch gedacht hatte.
    Von diesem Tag an wurde ich, da mein Vater vermutlich auf Dauer verschwunden bleiben würde, von allen als Familienoberhaupt akzeptiert. Da traf es sich gut, daß ich gerade ein paar Jahrzehnte älter geworden war.

L
    Am frühen Nachmittag ging ich noch einmal in die Granatgasse.
    Nichts hatte sich verändert: der Schmutz in der Gasse, die Verwahrlosung, selbst die Kanalarbeiter, die verbissen Tröge voller Mörtel in dasselbe Loch wie damals kippten. Um das Lagerhaus war überall Militär postiert. Der Hauptmann verwehrte mir den Zutritt, aber in höflichem Ton, was darauf schließen ließ, daß ihm jemand, dessen Rang er ernst nahm, angekündigt hatte, ich würde vielleicht vorbeikommen.
    Ich konnte nun zweierlei tun: ich konnte mich lächerlich machen und mit einem Strauß roter Nelken die Tür einer bestimmten Frau belagern oder meinen Körper in der Sporthalle stählen. Statt sie zu behelligen, entschied ich mich für den Sport.
    Das Trainingszentrum, das ich hin und wieder besuchte, wurde von einem intelligenten Kilikier namens Glaucus geleitet. Es lag zwei Straßen vom Tempel des Castor entfernt, war mit einer privaten Badeanstalt verbunden und zeichnete sich vor den meisten anderen Etablissements dadurch aus, daß es dort ehrbar zuging. Glaucus ließ professionelle Gladiatoren ebensowenig herein wie hohlwangige Aristokratenjünglinge, die mit trockener Kehle nach kleinen Jungen schmachteten. Bei ihm konnten liebenswürdige Bürger in angenehmer Atmosphäre dafür sorgen, daß neben dem Geist der Körper nicht zu kurz kam, und sich nachher bei angenehmen Gesprächen in seinem Bad entspannen. Die Handtücher waren sauber, im Säulengang gab es eine kleine Bibliothek, und an einem Stand neben den Stufen des Portikus bot ein Bäcker ausgezeichnete Kuchen und Torten feil.
    Als ich in den Hof für die Ballspiele schlenderte, war Decimus Camillus Verus, Helenas ehrwürdiger Papa, der erste, den ich sah. Er hatte meinen scherzhaft gemeinten Vorschlag mit bemerkenswertem Eifer aufgegriffen und kam jetzt regelmäßig hierher. Die meisten von Glaucus’ Besuchern waren jüngere Männer, die noch keinen Bauch angesetzt und auch noch nicht vergessen hatten, wie lange sie auf einen Sandsack eindreschen konnten, ohne ihren Körper zu überfordern. Glaucus war nämlich der Ansicht, daß fünfzigjährige Herrschaften mit rotem Kopf, die auf seinen Stufen ihren letzten Atemzug taten, die übrige Kundschaft entmutigten. Aber ich hatte ihm erklärt, daß der ehrenwerte Decimus gut zahlen würde und daß deshalb die eine oder andere Trainingsstunde im Kurzschwertfechten für einen zahmen Senator vielleicht nicht besonders sinnvoll, aber auf jeden Fall lukrativ sei.
    Und hier traf ich ihn nun, meinen Senator. Zuerst kämpften wir eine Runde mit Übungsschwertern, und man konnte schon erkennen, daß er besser wurde. Aber ein gutes Auge würde er wohl nie entwickeln. Immerhin, er zahlte – zwar nicht prompt, doch wer tut das schon? Dafür verschaffte ihm Glaucus ein bißchen Bewegung und sorgte außerdem dafür, daß keine Klinge je versehentlich seine edle Haut ritzte.
    Statt zuzugeben, daß wir viel zu erschöpft waren, spielten wir noch ein bißchen Handball und entspannten uns erst danach im Bad. Hier konnten wir uns ohne weiteres treffen. Das Sportzentrum war ein Ort, wo wir trotz des Rangunterschiedes Freunde sein und bleiben konnten, gleichgültig, was aus dem Fall wurde, der uns jetzt beschäftigte. Seine Familie konnte so tun, als wüßte sie nichts davon, und meine glaubte ohnehin schon, ich hätte von gesellschaftlichem Anstand keine Ahnung.
    Aber jetzt tauschten wir Neuigkeiten aus. Nachdem wir im Dampfbad unseren Schmutz ausgeschwitzt und ein kurzes Bad im Warmwasserbecken genommen hatten, ruhten wir jetzt auf Liegen, ließen uns die Aufmerksamkeiten der Maniküremädchen gefallen und warteten darauf, daß uns der riesige Masseur drannahm, den Glaucus bei der städtischen Badeanstalt von Tarsus abgeworben hatte. Dieser

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