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Silberschwester - 14

Silberschwester - 14

Titel: Silberschwester - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Veteranen
kein Interesse gefunden hatte … Der Hauptmann war auch nicht gewillt,
irgendeinen von seinen Soldaten gegen dessen Willen an so einen, an der Grenze
zwischen Mythos und Wahn gelegenen Ort zu schicken – vor allem, wo doch nun die
Gerüchte über einen Albtraum von einem insektenartigen Monster, das da in
Finsternissen oder Traumschwaden wahrgenommen worden sei, bedrohlich ins Kraut
schossen.
    Da wartete sie
darauf, dass der Priester wieder aufsaß. Ihr fiel auf, dass die Falten in
seinem altersmüden Gesicht noch tiefer waren als zuvor.
    »Was immer es
ist«, schwor sie, die Hand am Heft, »es muss an mir vorbei, um dir ein Haar
krümmen zu können!« Aber von dem Ziehen in ihr, das mit jeder Stunde stärker
geworden war, sagte sie kein Wort.
    Der Priester
starrte sie zweifelnd an. »Wir in der Waldburg werden uns beschützen.«
    Sie ritten auf
der selten benutzten Piste zügig fort – ihre Halbesel legten in ihrem natürlichen
Passgang die Meilen nur so zurück. Spätnachmittags sahen sie in der Ferne eine
Reihe uralter Bäume ragen, und nicht lange, da kamen sie an den ersten
Solitären vorüber, die mit ihren geraden Stämmen den knorrigen, ineinander
verschlungenen Riesen des Waldes weiter voraus nicht im Mindesten glichen. Die
Sonne tauchte schon unter den Horizont, sodass unter dem Laubdach nun ein
gespenstisch grünes Dämmerlicht herrschte und alle Schatten die Farbe halb
eingetrockneter Tinte hatten.
    Seylana
verschwamm in diesem Zwielicht alles vor Augen. Sie meinte, zwischen den
Stämmen missgestaltete Wesen huschen zu, sehen. Und die Innenflächen ihrer
Hände, die in ledernen Fäustlingen staken, juckten teuflisch … Für eine
Kriegerin das untrügliche Vorzeichen eines Kampfes.
    Manchmal, in
den kalten Morgenstunden, wenn sie, allein auf ihrem Feldbett oder neben ihrem
schnarchenden Thomas, wach lag, fragte sie sich, ob sie jene Nacht auf dem
Hügel nicht bloß geträumt hatte. Manchmal konnte sie sich nicht mehr an den
Namen ihrer Schwester erinnern oder an ihre Stimme, ihr Harfenspiel.
    Aber manchmal
war ihr, als ob die Trennung erst tags zuvor erfolgt wäre, war die Wunde noch
ganz heiß, roh und blutig. Fleischwunden heilten; das wusste sie als Kriegerin
ja wohl. Aber es gab andere Verletzungen, für die das nicht galt …
    Jetzt sprang
ihr Halbesel rasch zur Seite, warf den Kopf und bebte am ganzen Leibe vor
Furcht. Also wechselte Seylana den Zügel in die Linke, zog ihr Schwert, dass es
singend aus der Scheide fuhr!
    »Bleib hinter
mir!«, flüsterte sie dem armen Priester zu und trieb ihr Reittier voran. Sie
roch es wohl: Zauberei lag in der Luft, und der vertraute scharfe Geruch von
vermoderndem Laub verdeckte diesen anderen nur halb …
    Sie kamen um
eine Biegung, an einer Gruppe von Eschenbäumen vorbei, die alle aus demselben
Wurzelstock wuchsen. Schwarz schimmerte deren Rinde und glänzte im Licht des
Mondes, das durchs Laubdach fiel.
    Endlich sah
sie vor sich die Waldburg ragen: ein Steinklotz mit Lichtern, die vor dem
Nachthimmel ganz unnatürlich blau glitzerten. Das tänzelnde Tier straff
zügelnd, näherte sie sich der Feste schräg, umkreiste sie in Nacht und
waberndem Dunst.
    Nach einer
Runde schon bog sie schnell ein, um sich das Tor näher anzusehen. Es war fest
verschlossen – aber die vergitterten Fenster beiderseits davon ohne Läden und
grell erleuchtet. Da hielt sie ihren Onager an und spähte hinein. Dort in der
Halle kämpfte das blaugrüne, phosphoreszierende Licht, das sie von fern
erblickt hatte, gegen den normalen Schein eines gewöhnlichen Holzfeuers an, das
in der Feuerstelle in deren Mitte lohte. Und darum herum standen fünf Priester
in weißer Robe. Etwas an ihnen, ihre starre Haltung, erinnerte Seylana an den
Steinkreis auf dem Hügel.
    Eine
Belagerung, fuhr es ihr durch den Sinn. Doch hier war kein Eindringling, kein
Feind und keine Bedrohung, bloß die unnatürliche Ruhe, die hier herrschte.
    Als sie ihren
Onager herumriss, um das Burgtor besser in den Blick zu bekommen, nahm sie noch
aus den Augenwinkeln eine Bewegung in der Kreismitte wahr – das Aufblitzen der
weißen Robe eines der Novizen, der jetzt zur Tür stürzte …
    Schon schwang
die schwere Holztür auf, weit genug, um einen berittenen Krieger einzulassen.
Und herausgestürzt kam, vor Panik wie blind und mit flehend erhobenen Augen und
Händen, der Tempelschüler, fast ein Kind, und er flog an ihr vorbei und dem
Priester hinter ihr geradewegs in die Arme.
    Da grub
Seylana ihrem Onager

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