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Silberschwester - 14

Silberschwester - 14

Titel: Silberschwester - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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dicht, dass
kein Grashalm dazwischen gepasst hätte. Über all dem lastete eine bedrückende
Stille. Und mit dem Übrigen war auch verschwunden, was sie angehabt hatte. Sie
trug jetzt ein Gewand aus hauchdünnem Stoff, der hauteng anlag und all ihre
Formen nachbildete, sie aber in ihrer Bewegung nicht im Mindesten behinderte.
Aus der Mitte ihres Körpers wuchs ein von aberhundert Flüssigglanzpunkten
strahlender, fein geflochtener Lichtstrang, der in weiteste Fernen reichte.
    Nur das
Schwert in ihrer Hand war dasselbe geblieben – ihre gute alte Waffe, kampferprobt,
schartig, tauglich. Tödlich.
    Wirklich … Vielleicht
das einzig Reale an diesem seltsamen Ort.
    Nun drehte sie
sich langsam im Kreis, um einen Blick in die Runde zu werfen. Grauer Stein in
alle Himmelsrichtungen, so weit das Auge reichte, und gar als niedriger
Horizont. Aber dann waren da noch zwei gedrehte Lichtstränge … Einer, der sich
von ihr voraus erstreckte, und einer, von ihrem Rücken aus, der in die Richtung
lief, aus der sie gekommen war.
    Mit der freien
Hand, und recht spitzem Finger, fuhr sie den Lichtstrang entlang, gegen den
Strich. Spürte aber statt Hitze oder dem Funkenregen, wie er entsteht, wenn man
Seide gegen Bernstein reibt, nur eine angenehme Kühle. Also legte sie die
Finger fest darum, maß seine Dicke und prüfte seine Elastizität. Jeder Schritt
nach vorn ging so leicht wie das Gleiten über Eis. Bei jedem Schritt zur Seite
aber fuhr ihr ein Schmerz durch Mark und Bein – so hart verkrampften sich ihre
Muskeln, so sehr stockte ihr der Atem.
    Sie fasste ihr
Schwert fester, tat einen Schritt voran, dann gleich noch einen. Der Steingrund
unter ihren nackten Füßen war weder kalt noch warm und weder rau noch glatt.
Und der Horizont rückte nicht näher, aber auch nicht weiter weg. So glitt sie,
in völliger Stille, langsam voran.
    Bald spürte
sie, dass die Luft immer dichter wurde, ganz als ob sich dort die Schatten
versammelten. Aber diese Schatten waren aus Licht statt aus Finsternis. Erst
hielten sie sich am Rand ihres Gesichtsfeldes und verschwanden im Nu, sobald
sie den Kopf drehte, um ihnen die Stirn zu bieten. Und als sie nun nach ihnen
rufen wollte, brachte sie nur ein dünnes Flüstern heraus. So schritt sie weiter
und verfolgte stumm, wie die transparenten Schemen opaker wurden, dabei eine
Art von Gestalt und Form annahmen, ganz wie jene Qr-Schatten.
    Doch plötzlich
erreichte sie den Rand der steinernen Senke. Etwas voraus, ungefähr in hundert
Schritt Entfernung, sah sie ein halbes Dutzend Gestalten stehen: nicht diese
gespenstischen Schatten, sondern Wesen von Fleisch und Blut wie sie. Doch »Menschen«
konnte man sie nicht nennen, bei diesen schmalen Schultern und den Händen mit
zu vielen Fingern. Und um den runden Kopf trugen sie eine Art kohlschwarze
Gaze, die ihre Züge verdunkelte, und an der Stirn ein grellweißes Band, auf dem
das Skorpionemblem von Qr prangte … Aber nein, das war nicht eigentlich ein
Skorpion, eher eine Art Symbol, so wie die Meklavaner sie anstelle gewöhnlicher
Schriftzeichen benutzten. Nur menschliche Einbildungskraft hatte ihnen die Form
eines todbringenden Insekts gegeben.
    Doch der
Lichtstrang führte genau in die Mitte der Schar.
    Da hob Seylana
ihr Schwert. Und fühlte prompt, wie die Woge der Kraft kam, Kampffieber ihren
Puls beschleunigte und ihr Herz ihr vor Lust und Tatendurst im Leibe sprang.
    Die Gestalten
standen wartend, ohne ein Anzeichen von Angst oder Furcht.
    Doch als sie
attackieren wollte, wich der Haufen und teilte sich längs des Lichtstrangs. Ihr
aber riss es so das Schwert herab, dass sie es nur dank langer, harter Übung in
der Hand behielt. Da stürmte sie voran … halb in Angst, die Vision schwände,
wenn sie näher käme.
    Ein
Spiegelbild war es, und doch wieder nicht, diese von den Jahren unberührte, in
dasselbe hauchdünne, hautenge Gewand gehüllte Gestalt.
    Meriadess.
    Die
Zwillingsschwester stand wie blind und ohne ein Zeichen des Wiedererkennens
oder der Verzweiflung, Freude oder Pein im Gesicht und wartete nur.
    Seylana hatte
gehofft, ihre Schwester zu rächen, nicht, sie zu befreien … Doch jetzt, ohne
auf die lauernden Qr zu achten, stürzte sie vor und schrie: »Meri! Meri, komm
mit mir!«
    Sie streckte
die freie Hand aus – und fasste ins Leere. Ihre Finger gingen durch die
scheinbar feste Kreatur hindurch wie durch Luft. War das bloß Illusion, eine
aus Rauch und Licht geborene Vision?
    Nein, sie
fühlte doch das Band zwischen ihnen, das

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